Der Bastard von Tolosa / Roman
juckende Pfeilwunde auf meiner Brust, ein Zeichen, dass sie auf dem Weg der Heilung war. Nicht so die verdammte Wunde in meinem Herzen, wo mich ein anderer Schaft getroffen hatte. Genau wie damals, als wegen eines Kusses meine Welt für einen Augenblick nur noch aus grünen Augen und diesen halb geöffneten Lippen bestanden hatte.
Perdona me,
Noura, ich habe dich geliebt, aber jetzt stand mir der Sinn nur noch nach Berta. Und diesmal sollten mir nicht noch einmal falsche Schuldgefühle in die Quere kommen.
Que folatura!
Ich war wieder in dieses Weib vernarrt, wie schon damals.
Ich wälzte mich auf die Seite, aber da bohrte sich ein Stein in meine Hüfte. Gereizt setzte ich mich auf und lehnte mich an einen Baumstamm. Warum ließ Nemos Unterhändler nur so lange auf sich warten? Und dann rissen mich Stimmen aus meiner Grübelei. »Gustau!«, hieß es. »Da kommt Gustau!«
»Und er bringt Rosa!«, rief jemand. »Rosa ist bei ihm!«
»Verges Maria!«,
murmelte ich und bekreuzigte mich unwillkürlich. »Ist es denn möglich?«
Alles lief zusammen, um die beiden zu begrüßen. Ich drängte mich durch die Menge. Da kam Gustau, ohne Hemd, Bogen in der Hand und Köcher auf dem nackten Rücken. Seine schleppenden Schritte waren die eines Mannes, dem Kraft und Lebenswillen abhandengekommen sind. Hin und wieder drehte er sich zu Rosa um, die zwanzig Schritt hinter ihm ging, um zu sehen, ob sie noch folgte. Als sie näher kamen, teilte sich die Menge, um ihnen Platz zu machen. Alle starrten gebannt auf das Mädchen. Es herrschte Stille, niemand sagte ein Wort, denn alle wussten ja, was mit ihr geschehen war.
Rosa ging barfuß, mit zögernden Schritten, nur mit Gustaus schmutzigem Bauernhemd bekleidet, das ihr bis auf die Oberschenkel fiel. Sie hielt den Blick auf den Boden geheftet, als müsse sie aufpassen, wohin sie trat, um nicht zu stolpern. Von ihrem Gesicht konnte man wenig unter den dunklen Haaren erkennen, die in langen, verklebten Strähnen von der Stirn bis über die Hüften fielen. Auf Beinen und Armen war die blasse Haut von Kratzern und Blutergüssen bedeckt.
Jemand schluchzte in der Menge.
Bei ihrem Anblick würgte mich ein fürchterliches Schuldgefühl. Auch wenn ich es nicht zu verantworten hatte, aber dieses arme Kind war allein meinetwillen zum Opfer geworden wie auch die übrigen Gefangenen. Wenn es ums Kämpfen ging, dann war es an uns Männern zu sterben und nicht, unsere Weiber leiden lassen.
Gustau war stehen geblieben und sprach ihr sanft zu.
»Rosa. Wir sind da,
mon cor.
«
Abrupt blickte sie auf, strich sich die Haare aus dem Gesicht und sah sich wie gehetzt um. Beide Augen waren blutverkrustet und zugeschwollen, die Unterlippe eingerissen, und an ihrem Kinn klebte getrocknetes Blut. Als sie aller Blicke auf sich gerichtet fand, begann sie, am ganzen Leib zu zittern, ihre Augen irrten wild umher, nicht wie die eines Menschen, sondern wie die eines in die Enge getriebenen Tieres.
Gustau näherte sich ihr. Da stieß sie ihn vor die Brust und spuckte ihm ins Gesicht. Sie entblößte die Zähne, ja, sie fauchte geradezu. Dabei schrie sie vor mörderischer Wut, als wolle sie Gustau die Augen auskratzen. Er sprang erschrocken zurück. Rosa rannte fort, stolperte, raffte sich wieder auf und lief weiter. Plötzlich befand sie sich mitten unter den Pferden, die in der Nähe grasten. Die Tiere scheuten und sprangen unruhig zur Seite. Aber Rosa schien sich unter ihnen sicherer zu fühlen als unter Menschen. Sie streckte ihre Hand aus und berührte sanft die Nüstern einer Stute. Dann legte sie ihren Kopf an den langen Hals des Tieres. Auf einmal brach sie in die Knie, legte die Arme um den eigenen Körper und wiegte sich in rhythmischen Bewegungen, während sie sich die Wut und Erniedrigung aus dem Leib stöhnte und schrie. Lange Zeit ging das so, immer wieder von Weinkrämpfen unterbrochen, und niemand wagte, zu ihr zu gehen.
»Sie redet nicht«, flüsterte Gustau. »Sie hat Angst vor mir.«
Seine Augen waren rot und übermüdet. Ich glaube, sein Zustand war nicht viel besser als Rosas. Alles, was sie ihr angetan hatten, hatte er mit eigenen Augen miterleben müssen. Geschändet waren beide.
»Was ist geschehen?«, fragte ich leise.
Erst sah er mich an, als verstehe er mich nicht. Dann sprach er in einer tonlosen Stimme, in der jede Hoffnung gestorben war. »Als sie entdeckten, dass niemand mehr in der Burg war, da gab es ein Durcheinander. Ich habe zwei von ihnen getötet, und dann sind wir
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