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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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einfach fortgelaufen.«
    Als ich meinen Arm um ihn legte, begann er zu schluchzen wie ein Kind, und ich ließ ihn weinen, bis er sich beruhigt hatte.
    »Es war Allahs Wille, Jaufré«, raunte Hamid an meiner Seite.
    »Gottes Wille?«, murmelte ich verächtlich. »Ausgerechnet du sagst das? Einer, der nicht mehr betet?«
    »Manchmal ist es barmherziger, an einen Plan Gottes zu glauben.« Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Vor allen Dingen, gib dir nicht selbst die Schuld. Dinge geschehen, die man nicht ändern kann.«
    Gisla versuchte gar nicht erst, sich Rosa zu nähern. Sie schickte stattdessen ihre beiden kleinen Mädchen mit einer Kalebasse Wasser und ein wenig Brot. Die Kinder setzten sich zu der gebrochenen Magd, die jetzt still im Gras saß, und legten ihre Gaben vor ihr auf den Boden. Lange rührte Rosa sich nicht, dann trank sie etwas Wasser. Die Mädchen lächelten und rückten näher, steckten ihr ein Stück Brot zwischen die Lippen. Rosa ließ es mit sich geschehen. Das war ein Anfang.
    Und dann tauchte Joana mitten unter uns auf. Wir hatten nicht bemerkt, dass sie und Jaume zurückgekehrt waren.
    »Mein Gott, da ist ja Rosa«, flüsterte sie, als wundere sie sich, die Magd noch lebend anzutreffen. »Haltet ihr alle vom Leibe, ich kümmere mich um das arme Kind.«
    Ich war erleichtert.
    Als ich mich umdrehte, stand Jaume vor mir und hob eine Hand zum Gruß. »Verdammt langer Weg,
Castelan
«, sagte er sichtlich müde.
    Neben ihm stand ein hagerer, weißhaariger Greis mit ruhigen, klugen Augen. Seine Kutte war mehr als schäbig. Die hornigen Füße sahen aus, als haben sie nie in ihrem Leben Leder gekannt. Er stützte sich auf einen langen Stab, doch er hielt sich aufrecht und erweckte den Eindruck, als habe ihn der lange Aufstieg kaum ermüdet. Sein Blick wanderte über Rosa und die Kinder und dann zurück zu mir. Ich wusste nicht, wie viel er von unseren Heimsuchungen wusste, aber sein Antlitz war das eines Mannes, dem kein Leid dieser Welt fremd war und der sich dennoch eine stille Zuversicht in seinen Gott bewahrt hatte. Kein Zweifler wie ich.
    »Salve, Castelan«,
sagte er mit einem milden Lächeln.
    »
Paire
Jacobus«, rief ich erfreut und nahm seine Hand. »Endlich! Ich bin froh, Euch zu sehen,
Paire.
«
    »Ihr seid also Jaufré Montalban«, antwortete er, nachdem er mich aufmerksam gemustert hatte, und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu: »Der verlorene Sohn ist heimgekehrt.«
    »Die Verlockungen des Morgenlands,
Paire
«, grinste ich achselzuckend in Antwort auf seinen heiteren Ton.
    »Wir alle haben lange warten müssen«, seufzte er. »Nun kann ich hoffen, endlich meine Bürde abzulegen.«
    Aus der Nähe sah er weniger alt aus, als es auf den ersten Blick den Anschein gehabt hatte. Auf Mitte fünfzig schätzte ich ihn. Ich nahm ihn freundlich beim Arm und geleitete ihn zu der zeltähnlichen Behausung, die Drogo für mich hatte errichten lassen. Dabei drehte ich mich noch einmal zu Rosa um. Die Kinder waren zu ihrer Mutter zurückgekehrt, und die Pferde grasten wieder ruhig in ihrer Nähe. Sie aber saß immer noch unbeweglich am gleichen Fleck und starrte in die Ferne. Joana hatte sich wenige Schritte von ihr niedergelassen und schien ebenso still zu sitzen. Wenn jemand wusste, was zu tun war, dann Joana.
    Alexis bot uns Erfrischungen an, aber Jacobus wollte nicht mehr als Wasser und ein Stück Brot zu sich nehmen.
    »Die gute Joana hat mir berichtet, was Euch widerfahren ist«, sagte er bedächtig. »Was soll man dazu sagen? Gottes Sohn liebt einen jeden von uns und ist für uns alle gestorben. Aber es gibt Menschen, bei denen muss man sich in der Tat fragen, ob sein Opfer es wert war.« Er kaute gedankenverloren an seinem Brot. »Was rede ich? Ihr seid Kriegsmann, und solche Dinge sind Euch gewiss nicht fremd.«
    Er sah mich sanft lächelnd an, aber sein Blick drang in meine Seele. Vor diesem Mann konnte man nichts verbergen. Ich fühlte mich nackt vor diesen Augen und zugleich geborgen.
    »Nein,
Paire.
Sie sind mir nicht fremd. Bedauerlicherweise.«
    »Gott verzeiht«, sagte er. »Und so müsst Ihr.«
    Ich war mir nicht sicher, ob er von Ricards Sünden sprach oder meinen eigenen.
»Paire«,
hob ich an. »Ihr seid doch geweihter Pater, oder?«
    »Ja, ich bin geweiht.«
    »Ihr habt ein großes Opfer auf Euch genommen, für eine Sache, die nicht die Eure ist.«
    »Als Hüter Eurer Familiengeheimnisse?« Wieder leuchtete Heiterkeit in seinen Augen.
    »War das Euer Auftrag?«
    »Odo wollte

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