Der Bastard von Tolosa / Roman
die wir trugen, wurde das Atmen schwerer, und der Schweiß lief in Strömen. Der Weg, nun nicht mehr als ein schmaler Saumpfad und gerade noch für ein Lasttier begehbar, führte durch struppiges Buschwerk und undurchdringlichen, immergrünen Wald, zwängte sich in immer steileren Windungen um scharfkantige, grauweiße Felsbrocken herum. Knorrige Wurzeln und loses Gestein erschwerten den Aufstieg. Schenkel und Waden brannten wie Feuer, und die Zungen klebten am Gaumen. Mit gekrümmten Rücken und Schultern, in die die Tragriemen schmerzhaft schnitten, so quälten wir uns den Berg hinauf, bis die zitternden Glieder versagten und man wieder ein wenig rasten musste, um Luft zu holen. Aber wir kamen voran. Langsam, aber stetig, auch wenn sich unser Trupp immer weiter auseinanderzog. An einem Bächlein erfrischten wir uns. Jedoch nur so lange, bis wir alle wieder beisammenhatten. Dann schulterten wir die Lasten erneut und kletterten weiter.
Ich hätte gern Ricards Gesicht gesehen, wenn er entdeckte, dass wir wie von Geisterhand durch den Ring seiner Belagerer geschlüpft waren. Doch meine Genugtuung war nur von kurzer Dauer, denn gleich kehrten die Gedanken zu Berta und Adela zurück. Und zu Ramon, der immer noch in diesem verfluchten Käfig saß.
Kain und Abel
Sanctus Elegius, Patron der Knechte und Bauern, der Gold-, Silber- und Hufschmiede, Wagner und Sattler; Beschützer der Pferde vor Krankheiten
Sabbatum, 25. Tag des Monats Juni
D as letzte Wegstück wurde leichter, nachdem wir endlich die Hochebene erreicht hatten. Das hohe, immergrüne Gestrüpp dünnte aus, und wir wanderten auf blumenübersätem Gras- und Heideland, das in großen Flächen die dichte Decke des Höhenwalds durchbrach. Vor uns erhob sich der Bugarach. Dahinter in der Ferne, wie eine blassblaue Wand, der Gebirgszug des Pireneus, auf dessen kahlen Höhen noch Schnee lag.
Doch in Wahrheit waren wir viel zu erschöpft, um die Schönheit der Landschaft zu würdigen. Bald trafen wir auf Drogos Kundschafter, die sich auf dem Weg ins Tal befanden. Sie waren erstaunt, uns zu sehen, und geleiteten uns bis ins Lager, das in einer großen, grasbewachsenen Waldlichtung lag. Die einfachen Laubhütten und Zeltbehausungen schienen uns willkommen zu heißen, und der Anblick der friedlich grasenden Pferde rührte manchen zu Tränen. Schon kamen sie aus dem Lager gerannt, und die Freude des Wiedersehens war groß. Wir ließen unsere Lasten zu Boden sinken und warfen uns auf der Stelle erschöpft ins Gras. Die Flucht war gelungen.
Gisla warf sich in Drogos Arme, und nachdem sie sich lange geküsst hatten, drückte er seine kleinen Mädchen an sich. Alles umarmte und herzte sich. Hier oben hatten sie sich Sorgen gemacht und waren überglücklich, uns wohlbehalten in Empfang zu nehmen. Alexis umarmte seine Cortesa, und die sonst so beherzte Magd schien völlig außer sich in seinen Armen dahinzuschmelzen.
»Sie ist schwanger«, flüsterte mir Hamid ins Ohr.
»Woher weißt du das?«
»Auf deiner Burg gibt es keine Geheimnisse.«
Gut, dachte ich erfreut. Mein kleiner Alexis hatte sein Glück gefunden. Dabei ließ sich die Erinnerung an Nouras Todestag nicht vermeiden, als wir seine erste Liebe so übel zugerichtet im Stall gefunden hatten. Das erinnerte mich an Ricard, und ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinab, denn es war noch nicht zu Ende. Auch wenn die Wölfe hier keine Turbane trugen, waren sie nicht weniger reißend.
Drogo trat zu mir. »Wo ist Berta?« Er sah sich mit besorgter Miene um. »Und ich sehe weder Joana noch deine
filheta.
«
»Joana ist auf dem Weg nach Galamus. Und Berta … nun, davon später!« Ich hatte keine Lust, viel zu erklären. Stattdessen band ich den Strick vom Gürtel, der mich mit Magdalena verband, und gab ihn Brun. »Finde jemanden, der gut auf sie aufpasst.«
Als man sie fortführte, warf sie Hamid einen langen Blick zu.
»Keine Sorge, Magdalena«, rief er ihr nach. »Nach Berta bist du jetzt die wichtigste Frau für unseren
Castelan.
«
Ihr Gesicht zeigte, dass sie wenig Verständnis für solche Scherze hatte. Drogo sah erstaunt von einem zum anderen, fragte aber nicht weiter, sondern führte mich herum, nachdem ich mir die Panzerung und das schwere Lederwams vom schweißtriefenden Leib gerissen hatte.
Das Lager lag versteckt zwischen bewaldeten, felsübersäten Hügeln unterhalb eines Berggrats des Bugarach. Dort gab es eine Grotte, die für Vorräte genutzt wurde und in der nun auch unsere Bündel
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