Der Bastard von Tolosa / Roman
leid, Robert«, flüsterte er.
Borcelencs ließ die Schultern hängen, und für einen Augenblick sah er aus wie ein geprügelter Hund. Dann bemerkte er Jordans Verletzungen.
»Was ist mit ihm?«, fragte er besorgt.
»Er ist vom Gaul gefallen, und ein Huf hat ihn getroffen. Es wird ihm bald wieder gutgehen«, erwiderte ich.
»Mein Gott, du lebst!«, sagte er zu Jordan. »Ricard hatte behauptet, du seiest tot.«
Nun war es an der Zeit, den Sack zuzubinden.
»Du hältst Ramon, Robert. Und ich habe deinen kleinen Liebling in meiner Gewalt. Du hast also die Wahl. Entweder überhäufe ich dich mit Spott und Hohn und Schimpf und Schande, in Tolosa oder an welchem Hof auch immer. In der Kirche werden sie dir den Zutritt verwehren. Spottlieder werden sie dir nachsingen, ich verspreche es dir. Borcelencs, der Sodomit, wird es heißen, der Knabenverführer und Arschficker.«
Er war tiefrot geworden und leckte sich unsicher die Lippen. Auch Jordan sah aus, als wolle er vor Scham in die Erde versinken.
»Oder …«, fuhr ich fort, »du lieferst mir einen ehrlichen Kampf, um das Testament und um deine Mannesehre wieder herzustellen! Und sollte ich überleben, schwöre ich dir ewiges Stillschweigen, bei Gott und beim Haupte meiner Kinder. Ich werde dein Geheimnis bewahren.«
Lange starrte er mich an.
Dann schien er in sich zusammenzusacken, als habe er seinen Willen verloren. Er stimmte allem zu, sogar meiner Forderung, dass er selbst und höchstpersönlich antreten müsse, dass er sich nur unter Einsatz seines Lebens reinwaschen könne. Siegte er, dann war ich tot und würde ihm nicht weiter schaden können. Starb er, war ohnehin alles gleich.
Im Gegenzug erkaufte er sich nach zäher Verhandlung allerdings das Recht, ein Dutzend Kämpfer zu stellen, also doppelt so viele wie wir. Das war ein äußerst gewagtes Spiel für uns, aber als Hamid nickte, stimmte auch ich zu. Vielleicht war mein Freund der ganzen Sache ebenso überdrüssig geworden wie ich und wollte sie so schnell wie möglich zu Ende bringen.
Wir trennten uns von Robert und ritten ein paar Meilen höher zum Waldrand hinauf, nicht weit von der Stelle, wo Hamids Gestüt einmal stehen sollte. Von hier hatten wir einen guten Blick auf Rocafort und alle Bewegungen feindlicher Truppen, sollte es Robert einfallen, sein Wort zu brechen und uns zu überfallen.
***
Wenn Robert die Zeit davonlief, wie ich so kühn behauptet hatte, warum dann nicht einfach abwarten, bis er aufgab? Warum mein Leben und das meiner Gefährten in diesem verrückten
tornei
aufs Spiel setzen?
In Wahrheit hatte ich natürlich übertrieben. Robert war noch bei weitem nicht am Ende. Mit mehr Gold würde er seine Söldner halten oder vielleicht sogar noch einmal verstärken können. Eine weitere offene Feldschlacht mochte ich nicht wagen. Und Ricards boshaftem Einfallsreichtum war noch manche Quälerei zuzutrauen. Zu viele Ungewissheiten also, als dass ich den Ausgang gern auf die lange Bank geschoben hätte. Ein Glück also, dass der junge Jordan in unsere Hände gefallen war.
Um mein Leben war mir nicht bange. Tod und Gefahr waren zu alte Bekannte, als dass sie mich geschreckt hätten. Dasselbe galt für meine Gefährten, die alle freiwillig mit mir in den Kampf gingen, so wie ich es auch für sie getan hätte. Der Weg zu meinem Erbe konnte jetzt nur noch über Roberts Leiche führen. Und umgekehrt, je länger ich am Leben blieb, je mehr wurde ich zur Gefahr für ihn. Dies war die tödliche Umklammerung, in der wir uns befanden.
Hamid verstand dies, und ich war froh, dass er an meiner Seite war, ebenso wie mein treuer Guilhem, der junge Severin und Jaume, der Lautenspieler. Vilapros hatte eigene Gründe, gegen Robert anzutreten, weshalb ich es ihm nicht abschlagen mochte. Schon am Vorabend hatte ich die Auswahl meiner Mitstreiter getroffen. Brun hatte gebettelt, dabei sein zu dürfen, und ich verzichtete ungern auf ihn. Aber ich zählte auf seinen starken Arm, Berta und die Familie zu beschützen, sollten wir anderen den Wettkampf nicht überleben. Morgen früh würden wir sechs also gegen Robert, Ricard und zehn weitere ausgesuchte
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antreten, in einem Kampf um Leben und Tod.
Wir stellten Wachen auf und errichteten ein einfaches Nachtlager. Den Rest des Nachmittags verbrachten wir damit, Kampftaktiken einzuüben. Anschließend aßen wir schweigend das Mahl, das die Männer am Feuer zubereitet hatten. Auch die Speerkrieger und Bogenschützen, die uns begleiteten, unterhielten
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