Der Bastard von Tolosa / Roman
ausgestreckt auf dem Rücken, mit Hand- und Fußgelenken an Pflöcke gefesselt, die man in den Boden gerammt hatte, so dass er sich nicht rühren konnte. Der Junge sah zum Fürchten aus. Vom Haaransatz bis über die linke Wange verlief ein riesiger Bluterguss, der in allen Farben schillerte. Die Haut war von der Sonne verbrannt und geschwollen. Fliegen tranken an den Augenwinkeln, Ameisen liefen über sein Gesicht, das an vielen Stellen Insektenstiche aufwies. Aber das Schlimmste waren die Hände und nackten Füße. Sie waren dunkelviolett angelaufen und unförmig aufgeschwollen.
Herrgott! Wer hatte ihn so gefesselt? Dass unsere Leute wenig Mitleid mit Roberts Kriegern hatten, war nur verständlich, aber dies ging zu weit. Er war doch nur ein Bengel, wenig älter als Raol. Rasch begann ich, die Fesseln zu lösen. Das Haar hing ihm strähnig und wirr über die Stirn, und seine Augen starrten darunter hervor, als sei er nicht mehr ganz bei Verstand. Meine Berührungen schmerzten ihn. Er presste die geschwollenen Lider zusammen und biss sich stöhnend auf die Lippen. Ich nahm mein Messer. So ging es schneller.
»Warum hast du nicht um Hilfe gerufen, du verrückter Dummkopf?«, knurrte ich aufgebracht. »Denkst du, ich will dich foltern? Oder ist das deine Vorstellung von Tapferkeit,
fol pec?
«
Ich stemmte seinen Oberkörper hoch und half ihm aufzusitzen. »Hol Wasser!«, rief ich Berta zu.
Er hatte sich in seiner Not beschmutzt und stank erbärmlich. Jetzt, da langsam das Blut in die abgeschnürten Glieder zurückströmte, begannen die Schmerzen, und er biss die Zähne zusammen, bis er es nicht mehr aushalten konnte. Er schrie, während ich ihn in den Armen wiegte. Nach einer Weile ging es besser, und er wimmerte nur noch.
Den ganzen Nachmittag kümmerten sich Hamid, Joana und Berta um ihn. Vorsichtig massierten sie seine geschwollenen Glieder, wuschen und kleideten ihn, gaben ihm zu essen und zu trinken und behandelten seine verbrannte Haut mit Olivenöl und Wundsalben.
»Er hat Glück gehabt.« Hamid schüttelte verdrossen den Kopf. »Noch einen Tag länger, und Hände und Füße wären abgestorben.«
Fürs Erste schien sich Jordan jedoch rasch zu erholen. Nachdem Joana sein blondes Haar gewaschen und gekämmt hatte, sah er wieder menschlich aus. Sein Körper war schlank, aber durch Waffengebrauch gestählt. Der Mangel an Bartwuchs, die langen Wimpern über den strahlend blauen Augen und die vollen Lippen verliehen ihm etwas Verletzliches, fast Mädchenhaftes. Berta betrachtete ihn lange aufmerksam, dann konnte sie sich plötzlich ein Lachen nicht verkneifen.
»Wie lange bist du schon in Roberts Diensten?«
»Fast zwei Jahre,
Domina
«, antwortete er schüchtern.
»Ist er gut zu dir?«
»Ja, Herrin. Er ist gut zu mir.«
»Und liebst du ihn sehr, deinen Herrn?«
Da wurde er rot und senkte verlegen den Blick. Dann nickte er kaum merklich, während eine Träne seine Wange netzte. Berta erhob sich befriedigt und forderte Hamid und mich mit einer Handbewegung auf, mit ihr ein Stück zur Seite zu treten.
»Was ist?«, fragte ich.
»Ich hatte bei Borcelencs nie das Gefühl, dass er mich als Frau begehrte. Habe ich dir das nicht gesagt?« Ich nickte, verstand aber immer noch nicht. Hamid lächelte. Er schien zu ahnen, was sie andeuten wollte.
»Verstehst du nicht?« Sie wies mit einer Kopfbewegung auf den jungen Jordan. »Robert Borcelencs liebt Knaben.«
»Was sagst du? Er ist ein Sodomit?«
Berta grinste spöttisch. »Da bin ich sicher«, war ihre Antwort. »Damit wirst du doch wohl etwas anfangen können, oder? Denn Robert wird sich gewiss nach seinem blonden Engel verzehren.«
Ja, Roberts Engel.
L’anjol de
Robert. So hatten laut Guilhem die Wachen den Jungen genannt. Hol mich doch gleich der Teufel, dachte ich. Damit ließ sich in der Tat etwas anfangen.
Freundesliebe in der Art von Kameradschaft und Waffenbruderschaft ist natürlich ein hohes Gut für den, der sich ihrer erfreuen darf.
Sodomia
dagegen, der Beischlaf unter Männern, ist als Todsünde geächtet. Kein Edelmann, der nach Ruhm und Ämtern strebt, darf sich dem Vorwurf dieses
vitium
contra naturam
aussetzen, dieser Missachtung der von Gott gewollten Ordnung zwischen Mann und Weib. Kein Ritter, der auf sich hält, würde ihm mehr folgen wollen.
Aufmerksam betrachtete ich den Jungen. War er wirklich Roberts Spielzeug? Wie viel mochte er ihm bedeuten? Und wie konnten wir diese Erkenntnis zu unserem Vorteil nutzen?
Ich ließ Hamid und
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