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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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trauen. Zitternd erhob sie sich, kletterte aus dem Schrank und stand ergeben vor mir, die Augen vor Angst und Scham gesenkt. O wie ich es kannte, das Gefühl der Scham, das ohnmächtiger Todesangst folgt. Hatte ich es nicht oft selbst nach der Schlacht gespürt? Die Erinnerung an die Furcht macht uns betroffen. Schließlich hob sie scheu den Blick und sah mir forschend ins Gesicht. Ihr eigenes war vom durchlebten Entsetzen gezeichnet, dennoch hielt sie sich aufrecht, um Würde bemüht. Ich fand etwas in diesen dunklen Augen, das mir nicht erlaubte, sie dort zurückzulassen. Denn allein würde sie den Tag nicht überleben.
    Den goldenen Leuchter, den ich immer noch in der Hand hielt, streckte ich ihr verlegen entgegen. Sie nahm ihn ohne ein Wort. Ich fand einen weiten Mantel für sie und bedeutete ihr, mir zu folgen, ohne zu wissen, was ich mit ihr anfangen sollte. Sie schritt entschlossen neben mir her, den Umhang um sich geschlungen, Haupt und Gesicht verhüllt, ohne nach links oder rechts zu blicken. So kam es, dass Noura bei mir zu leben begann.
    Ein armenischer Bauer brachte Bohemund am nächsten Tag das blutige Haupt Yaghi-Siyans’, des türkischen Befehlshabers von Antiochia, der über die Berge hatte fliehen wollen. Das Heer jubelte. Der Normannenfürst war der Held des Tages. Aber die Freude über die Einnahme der Stadt war nur von kurzer Dauer, denn Gerüchte gingen um, dass das erwartete Türkenheer im Anmarsch war. Die Sache war also noch nicht gewonnen, und in den nächsten Tagen und Wochen würde sich unser Schicksal entscheiden.
    Die Zitadelle auf dem Berg Silpius, in der Yaghi-Siyans’ Sohn sich verschanzt hatte, lag innerhalb der Stadtmauern, konnte aber auch von außen erreicht werden und bedeutete eine Gefahr für uns. Wir versuchten in Eile, sie zu nehmen, wurden jedoch blutig zurückgeschlagen.
    Dann tatsächlich, zwei Tage nach dem Fall der Stadt, tauchten im Osten die ersten Späher an der eisernen Brücke über den Orontes auf und wagten sich bis zu den Mauern vor. Roger de Barneville, ein bekannter Ritter, verfolgte sie mit fünfzehn Reitern, wurde aber in einen Hinterhalt gelockt. Vor unseren Augen wurden alle niedergemacht, Roger von einer Lanze getroffen und dann enthauptet. Es war wie ein Omen. Sollte dies unser aller Schicksal werden?
    Nach weiteren zwei Tagen besetzte ein Teil des riesigen Türkenheeres unsere alte Lagerstatt vor den Toren und begann, die Stadt einzukesseln. Kerbogha hatte sein Heer so aufgeteilt, dass er alle Zugänge beherrschte. Die Rollen waren nun vertauscht. Jetzt lagen die Türken vor den Toren, und uns schützten die Mauern, rechtzeitig gottlob, sonst wäre es das Ende für uns gewesen. Doch es war eine trügerische Sicherheit, und bald wurde uns klar, dass wir nun vollends in der Falle saßen. Es gab kaum etwas zu essen, wir konnten nicht alle Mauerabschnitte angemessen besetzt halten, außerdem saß uns immer noch die Zitadelle im Nacken, so dass es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis wir aufgeben mussten.
    Ich hatte ein kleines Haus an der Südmauer bezogen.
    Meine Gefährten aus dem Dorf waren alle tot oder geflohen, so genau wusste ich es nicht. Aber nun teilte Noura meine Unterkunft. Es gab immer noch viele Lagerhuren und Marketenderinnen, die unserem Heer gefolgt waren. Niemand fand es also ungewöhnlich, wenn Noura wie andere Frauen Holz suchte und Wasser holte, obwohl ich ihr nie irgendetwas befahl. Sie tat aus eigenen Stücken, was sie für nötig hielt. Eines Abends überraschte sie mich, als sie stumm ihre Kleidung ablegte und sich mir mit steinernem Gesichtsausdruck darbot. Sie schien zu glauben, ich erwarte dies als Gegenleistung für meinen Schutz. War das nicht der Handel, den viele Frauen im Lager eingegangen waren, Arbeit und fleischliche Liebe gegen Brot und Leben?
    Ich konnte mir nicht helfen, sie zu betrachten. Ihr Leib war schlank und fast zierlich, aber dennoch von so sinnlicher Schönheit, dass mir der Atem stockte und ich gebannt zuerst auf ihre Brüste und dann auf den schwarzen Busch zwischen ihren runden Schenkeln starrte. Unwillkürlich suchte sie sich mit den Händen zu bedecken, bis sie, die Augen vor Scham abgewandt, die Arme sinken ließ, als wäre es ihr wieder eingefallen, warum sie nackt und stumm vor mir stand. Sie hatte ein ovales, ebenmäßiges Gesicht, helle Haut, ein fein geschnittenes Kinn und einen vollen Mund. Die dunklen Brauen und die gerade, etwas zu lange Nase verliehen ihr etwas Ernsthaftes. Alles in allem

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