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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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geschehen. Später haben manche gezweifelt, ob es wirklich jene Lanze war, die ein römischer Soldat unserem Heiland in die Seite gestoßen hatte. Aber für das Heervolk war dies das ersehnte Zeichen des Himmels.
»Deus le vult!«,
schrien die Priester wie wild, und alle glaubten wieder an Gottes Hilfe, solange wir nur unser Gelübde erfüllten.
    Nach langer Beratung entschieden sich die Fürsten für einen letzten Ausfall, um den Würgegriff der Türken zu brechen, bevor wir alle zu schwach wurden, um noch eine Waffe zu heben. Und so zogen wir am 28. des Monats Juni in den Kampf. Die letzte Schlacht, der letzte Wurf des Würfels, der Kampf um unser aller Dasein.
    Singend trugen die Mönche die Heilige Lanze voran, als wir vor die Stadt zogen. Die meisten der Ritter fügten sich in die Reihen der Fußkämpfer ein, denn nur ein paar hundert von ihnen hatten überhaupt noch ein halbverhungertes Reittier zur Verfügung. Es muss der Mut der Verzweiflung gewesen sein, denn wie konnte der wahnwitzige Angriff eines geschwächten Haufens von Fußkriegern tatsächlich einen Sieg gegen diesen gut genährten, dreifach überlegenen Feind davontragen? Die Echtheit der Lanze war von geringer Bedeutung. Solange genug an sie glaubten, fanden sie auch die Kraft, aufzustehen, zu marschieren und Kerbogha entgegenzutreten.
    Heutzutage meint jeder zu wissen, es sei ein Wunder gewesen. Von Gottes Allmacht auf unserer Seite reden sie und himmlischer Fügung. In Wahrheit verdankten wir diesen Sieg nur einem einzigen Mann und seinen Fähigkeiten als
magister militum
und erfahrenem Schlachtenlenker. Denn ohne Bohemund wäre es uns allen an den Kragen gegangen.
    Die Fürsten hatten ihn mit dem Oberbefehl dieses letzten Aufgebots betraut. Eine weise Entscheidung, denn Bohemund hatte die Schwachstelle der Türken erkannt. Weil Kerbogha seinen eigenen Verbündeten nicht traute, behielt er sie und deren Truppen in seiner Nähe und in einiger Entfernung nördlich von der Stadt. Das machte die Hälfte des Heeres aus. Die andere Hälfte hatte er zu sehr verteilt, weil er bemüht war, alle wichtigen Tore der Stadt abzuriegeln. Eine große Abteilung lag vor den westlichen Mauern. Dort konnten wir eine Übermacht herstellen, wenn wir alle Kräfte sammelten und schnell zuschlugen.
    Bohemund teilte uns in sechs Heeresgruppen auf, jede mit einer Handvoll Reiter zur Unterstützung, und wir marschierten in guter Ordnung aus dem Brückentor und über den Orontes. Zweitausend türkische Reiter versuchten, uns aufzuhalten. Wir hoben die Schilde gegen ihre Pfeile und fegten sie alsbald von der Brücke. Eine Heeresgruppe Provenzalen unter Führung Bischof Aimars, denn Raimon Sant Gille lag auf dem Krankenbett, marschierte auf Bohemunds Befehl weit nach Westen, um unsere linke Flanke zu schützen, eine andere unter Reynaud de Toul nach Süden, um zu verhindern, dass der Feind, der das Georgstor belagerte, uns von dort her angreifen konnte. Von Reynauds Gruppe sollten viele Kameraden fallen, aber sie hielten uns den Rücken frei, und so war der Vormarsch unserer Hauptmacht gesichert.
    Godefroi der Lotharinger, Robert von Flandern und Robert der Normandie, sie führten jeder eine von drei Heeresgruppen, die im Eilmarsch nebeneinander Aufstellung fanden, in mehrreihiger, fester Schildwand. Sie würden als Erste dem Feind entgegentreten. Bohemund mit Tankred befehligte die größte Gruppe als Reserve. Das also war unsere Aufstellung.
    Gleich beim Ausbruch aus dem Brückentor hatte mich ein Pfeil in die Schulter getroffen. Darüber hatte ich den Anschluss an Aimars Gruppe der Provenzalen verloren und mich dann, trotz Schmerzen, den Lotharingern angeschlossen. Es waren viele blonde Alemannen darunter, und ihre Sprache verstand ich nicht. Sie grinsten mich aus ausgemergelten, bärtigen Gesichtern an und nahmen mich bereitwillig in ihren Reihen auf. Jemand half mir, den Pfeilschaft abzubrechen, damit er mich nicht behinderte. Dann lärmten die Hörner, und wir marschierten mit beklommenen Herzen los. Staub wirbelte auf, die Sonne stach unbarmherzig auf gepanzerte Rücken herab, schon waren die Münder trocken und die Glieder schwer. Die Männer sangen in die hohlen Schilde, um sich Mut zu machen.
    Nördlich des Brückentors und entlang des Flusses griff unsere Schlachtreihe die herbeieilenden Türken an. Es kam zu einem wuchtigen Zusammenstoß der Schildreihen. Auch die Gegenseite bestand aus schwerbewaffnetem Fußvolk. Vereinzelt fanden sich Einheiten der

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