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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Geschrei auf den Jungen. Der nahm die Beine in die Hand und verschwand um die nächste Ecke. Ich gab Ghalib die Sporen und ritt mit meinem Brot in der Hand weiter. Es kam mir vor, als hätte ich seit Tagen zum ersten Mal gelacht, und dieses Bad in der bunten Menge genoss ich in vollen Zügen.
    Aber es währte nicht lange, denn beim Anblick der misstrauischen, waffenstarrenden Wachen vor dem Tor des Palastes holte mich die grimme Wirklichkeit wieder ein. Es war immer noch gefährlich und nicht unbedingt klug, mich allein und nur leichtbewaffnet durch die Stadt zu bewegen.
    Ich stieg vom Pferd und übergab die Zügel einem der Knechte, die bei meiner Ankunft herausgeeilt waren. Dann hieß ich den Wachhauptmann, mich beim Grafen zu melden.
    Der Palast war in arabischer Bauweise errichtet, weiß getüncht und von großer Schönheit. Obwohl keine Zitadelle, so war er doch von hohen Mauern umgeben. Da sich die letzten Herrscher am Ende ohne weiteren Kampf ergeben hatten, war das Bauwerk im Wesentlichen unzerstört geblieben.
    Ich schritt durch den Torbogen und befand mich in einem herrlichen Garten mit schattenspendenden Bäumen und Springbrunnen, der zuvor von Pfauen und anderen schönen Vögeln bevölkert gewesen war, die aber von unseren Männern im ersten Ansturm gejagt und verspeist worden waren. Halb belustigt fragte ich mich, was aus dem
haeraem
des Emirs geworden war, und erinnerte mich an Bertrans Andeutungen über junges Fleisch. Doch solche Gelüste würde die
Comtessa
ihm kaum durchgehen lassen.
    »
Cavalier
Montalban«, klang es tonlos hinter mir, gefolgt von einem trockenen Räuspern. Ich wandte mich um und gewahrte einen älteren, hageren Mönch im grauen Habit der Benediktiner, der sich nur andeutungsweise verneigte. Es war der
secretarius
des Grafen. Was nannte er mich
cavalier,
der eingebildete Pinsel? »Ihr kommt spät,
Castellanus.
Schon vor Stunden hatten wir einen Boten nach Euch gesandt«, bemerkte er hochnäsig.
    »Dann besorgt Euch Boten, die zuverlässig sind,
per Dieu!
Dieser muss an jeder Schenke zwischen hier und der Festung seinen Durst gelöscht haben. Und für Euch immer noch
Senher
Montalban!«
    Mit diesen Worten starrte ich ihm kalt in seine farblosen Augen. War das Benehmen des Mönchs ein schlechtes Omen für mein Gespräch mit dem Grafen? Aber Teufel noch eins, von dem Sauertopf wollte ich mich nicht einschüchtern lassen. Der
secretarius
verzichtete auf eine Antwort, wandte sich stattdessen achselzuckend ab und führte mich in das Hauptgebäude und in einen geräumigen Saal, von dem ich wusste, dass er Bertran als
scriptorium
und Audienzraum diente.
    Ich sah mich um. Obwohl Bertran seit dem Fall der Stadt hier eingezogen war, sah es immer noch sehr orientalisch aus. Kostbarkeiten waren allerdings den Plünderern zum Opfer gefallen. Es hingen noch ein paar schöne Teppiche an den Wänden, darunter standen kleine vergoldete Tische, seidenbezogene Diwane und bestickte Sitzpolster in bunten Farben. Der Boden war mit weißen Marmorplatten ausgelegt. Die Schönheit der hohen arabischen Glasfenster konnte man nun, da es Nacht war, nicht recht würdigen, dafür war der Saal durch viele Kerzen auf bronzenen Kandelabern erhellt. Mitten im Raum ein gewaltiger Eichentisch und dazu passende Stühle. Die wuchtigen, mit reichen Schnitzereien verzierten Möbel waren mit dem Tolosaner Wappenkreuz versehen und bildeten einen krassen Gegensatz zur Anmut des arabischen Saals. Auf dem Tisch lagen Folianten und Pergamentrollen in säuberlich angeordneten Reihen. Dazu Tintenfässer und Gänsekiele. Bertran war demnach schreibkundig, las oder verfasste gar seine eigenen Briefe. Auch eine kostbare, gläserne Karaffe mit Wein und den dazu passenden Kelchen. Eine Seltenheit, vielleicht aus Byzanz oder Jerusalem. Die Juden dort waren als geschickte Glasmacher bekannt.
    Auf einer Seite des Tisches lag nachlässig über den Schriftrollen ausgebreitet eine sorgfältig auf Leder gezeichnete Landkarte der Küstenregion. Ich hatte keine gute Meinung vom Nutzen solcher Karten. Besser waren einheimische Führer. Kyriacos’ Verrat jedoch war ein trauriger Beweis dafür, dass man sich auch auf diese nicht verlassen konnte.
    Hinter mir ging plötzlich die Saaltür auf, und ich fuhr herum, als
Coms
Bertran den Raum betrat.
    »Montalban!«, rief er freudig. »Meine Karte scheint dich zu fesseln.«
    Er hielt einen Flügel der Tür für seine Gemahlin auf, die
Comtessa
Elena. Dann trat er rasch neben mich an den großen Tisch

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