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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Nachahmung eines militärischen Grußes, seine Fingerknöchel an die Stirn, ganz als erweise er seinem
capitan
die Ehre. Zweifellos ein alter Soldat.
    »Bete für mich,
companh!
«, sagte ich und erwiderte lächelnd seinen Gruß. »Zu welchem Gott ist mir gleich, Kamerad.« Wer weiß, in welchen Schlachten wir uns schon gegenübergestanden hatten. Er nickte, als hätte er verstanden, sammelte dann die Münzen auf und grüßte mich anschließend noch einmal.
    Ich gab dem Hengst die Sporen. Schnell war ich mitten im Gewühl der Vorstadt. Hier konnte ich Ghalib nur im Schritt reiten. Nach dem schrecklichen Brand, in dem der alte Graf Raimon verletzt worden war, waren nach und nach wieder Häuser aus Stein entstanden, lehmverputzt und mit weißem Kalk getüncht. Auch einige Villen reicherer Händler mit hohen Mauern, die Hof und Stallungen umschlossen. Nur Bäume gab es nicht mehr, und die meisten Behausungen waren immer noch einfache Hütten, notdürftig aus Trümmerteilen der abgebrannten Stadt errichtet. In besserem Zustand befanden sich die ursprünglichen Pflaster der Straßen und Gassen, so alt, dass sich an vielen Stellen Mosaike mit römischen Mustern erkennen ließen. Die mussten weiß Gott wie viele Jahrhunderte überdauert haben. Bald würden hier Kirchen nach unserer latinischen Bauweise entstehen, um das bunte Gemisch der Lebensweise verschiedener Völker noch weiter zu bereichern.
    Die Verkaufsstände waren mit Öllampen erleuchtet, oder es standen dort eiserne Becken, in denen Holzscheite oder Kameldung brannte. Frauen sah man am Abend selten, es sei denn Huren, die mit geschwärzten Augenlidern und hennageröteten Lippen und Händen in Toreingängen oder in den engen Nebengassen auf Kundschaft lauerten.
    Auf der Hauptstraße durch die Vorstadt schoben sich Käufer und Schaulustige, Wasserverkäufer riefen ihr Angebot aus, und Lastträger schleppten irdene Krüge auf dem Kopf oder Ballen mit Baumwolle und gewebten Stoffen. Ab und zu unsere Soldaten, die in Gruppen Streife gingen, denn es gab nicht selten Übergriffe, sogar vermehrt in letzter Zeit. Aus diesem Grund trug ich mein Schwert an der Seite.
    Am Stand eines Schlachters hingen Lammkarkasse, eine Ochsenschulter und nackte Hühnerleiber an Haken. Nebenan war eine Schneiderwerkstatt, und gegenüber bot ein Händler Nüsse, Datteln, getrocknete Feigen und Gewürze feil. Auf langen Markttischen waren Obst und Gemüse von bester Güte aufgetürmt. Auf anderen Berge von honigdurchtränkten Kuchen und ähnlichen Verlockungen. Eine verwirrende Vielfalt und ein erstaunlicher Reichtum, wenn man bedachte, dass die Vorstadt noch vor kurzer Zeit in Trümmern gelegen hatte. Weiter die Straße hinunter empfing ein Geldwechsler seine Kundschaft. Auf dem Tisch lagen Münzen der verschiedensten Prägungen. Hinter ihm stand ein großer, muskulöser Neger, schwarz wie die Nacht und bis an die Zähne bewaffnet, der alle Passanten argwöhnisch beobachtete. Es war ein ständiges Stimmengewirr, ein Raunen und Feilschen, unterbrochen von den Lockrufen der Händler oder dem lauten Gelächter aus einer der vielen Weinstuben. Der Prophet untersagt den Genuss des Weines, aber in Tripolis schien man sich nicht allzu streng daran zu halten. Die Tavernen und Spelunken betrieben ihr Geschäft zu jeder Tages- und Nachtzeit.
    An einer Essbude brachte ich Ghalib zum Stehen und ließ mir gegen eine halbe Kupfermünze ein dampfendes Fladenbrot geben, gefüllt mit einer Mischung aus gebratenem Fleisch, Gemüse und einer dicken Tunke. Es war so heiß, dass ich es von einer Hand zur anderen wechseln musste, und prompt tropfte mir die Flüssigkeit auf den Umhang. Es schmeckte himmlisch.
    »He, Franke. Essen gut! Heiß gut!«, grinste der Verkäufer. Er hatte eine Zahnlücke und große, rissige Arbeiterhände, mit denen er mein ungeschicktes Hantieren lachend nachahmte. Sein Kauderwelsch war schrecklich, dafür sein Lächeln umso erwärmender.
    Neben mir tauchte ein zehnjähriger Knabe auf. Er zerrte an meinem Steigbügel und zischte mir hinter vorgehaltener Hand zu: »
Senher, Senher!
Fotre bela femena?
Schöne Frau ficken? Wirklich Jungfrau!
Gran tetas, Senher,
und nicht teuer.« Er lehnte seinen mageren Oberkörper zurück, während die Hände Brüste von erstaunlichen Ausmaßen in die Luft zeichneten. Dabei rollte er wollüstig die Augen und stöhnte.
    »Deine Schwester wahrscheinlich, du kleiner Gauner«, lachte ich.
    Der Verkäufer ergriff wütend einen Besen und stürzte sich mit

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