Der Bastard von Tolosa / Roman
und lächelte mir freundlich zu. Seine Herzlichkeit ließ meine ursprüngliche Besorgnis verfliegen.
»Ich habe da einen Genuesen. Du weißt, diese Seefahrer können das besser als unsere gut meinenden Klosterbrüder. Was hältst du von seinen Bemühungen?«
Ich runzelte die Stirn und sah mir das Werk näher an.
»Bertran. Was redest du von Karten?«, unterbrach ihn die
Comtessa.
»Sei kein gefühlloser Hobel!«
Sie trug ein langes, mit Stickereien und Perlen verziertes Kleid und dazu eine hohe Haube, die ihr Haar verbarg. Das schwere Gewand versteckte geschickt ihren etwas fülligen Leib. Sie wandte sich mir zu, fasste meine Hände und hielt sie fest umschlossen. Aus klaren, blassblauen Augen sah sie mich forschend an, und ihr rosiges, rundes Gesicht war voller Mitgefühl.
Ich ließ mich vor ihr auf ein Knie sinken und beugte höfisch mein Haupt. »Ich grüße Euch,
Domina.
«
»Welch schreckliche Kunde, mein guter Jaufré! Ihr müsst Euch ganz elend fühlen.« Sie bedeutete mir, mich zu erheben. Dabei hielt sie immer noch meine Hände wie die eines Kindes, das man trösten und beschützen will. Mir wurden unwillkürlich die Augen feucht, und ich schloss für einen Augenblick die Lider.
»Es schmerzt, Herrin.«
»Natürlich. Ihr habt sie sehr geliebt. Das spüre ich.«
Ich sah sie an und bemerkte, dass ihre Augen ebenfalls mit Tränen gefüllt waren. »Nun ist sie bei unserem Herrgott, Jaufré.« Ihr Mitgefühl schien nicht gespielt zu sein. Bertran trat neben seine Frau und legte den Arm um sie.
»Können wir etwas tun, Jaufré?«, fragte er unbeholfen.
Die Gräfin sah mich wieder eindringlich an. »Was ist mit dem Kind, Eurer Tochter? Heißt sie nicht Adela?« Ich nickte. »Das arme Mädchen. Ihr könnt sie hier bei mir lassen, solange sie möchte. Sie und meine Anhes haben sich schon angefreundet. Was meint Ihr,
Senher
Jaufré?«
»Sie ist bei mir auf der Festung«, entgegnete ich etwas unsicher.
»Aber Ihr seid ein Kriegsmann. Ihr werdet Euch nicht um sie kümmern können. Gebt sie zu mir. Hier wird sie sich wohler fühlen.«
Die
domina
war nun ganz mitfühlende Mutter. Nicht unähnlich Euthalia. Ich wusste, sie meinte es gut, aber dies war schon der zweite Vorschlag, mir Adela wegzunehmen, und der Gedanke war mir spätestens seit dem Gespräch mit
Paire
d’Aguiliers unerträglich geworden.
Ich musste mich erst räuspern, bevor ich antworten konnte. »Adela hat die Mutter verloren und ich meine Frau«, sagte ich etwas gequält. »Ich möchte sie bei mir wissen. Ich hoffe, Ihr versteht das.«
Sie nickte, sah mich dabei jedoch zweifelnd an.
Nun hatte ich mich wieder gefasst. »Ich kann Euch nicht genug danken, Herrin. Ich fühle mich geehrt, dass Ihr Euch meiner Tochter annehmen wollt«, sagte ich und lächelte entschuldigend, »aber Adelas Mutter und ich haben weit schlimmere Umstände überlebt, damals als das Heer nach Jerusalem zog. Wir haben gehungert und gefroren. Wir hatten nur mein Pferd und einen Esel, ein Zelt und einen ausgebeulten Kochtopf. Und trotzdem waren wir nicht unglücklich. Im Gegenteil. Schon damals war Adela bei uns, wenn auch ungeboren, im Leib ihrer Mutter. Keine Sorge, wir werden zurechtkommen.«
Elena drückte noch einmal meine Hand. Ich sah, dass sie immer noch feuchte Augen hatte. »Ich verstehe. Ihr habt recht. Ihr seid nun der einzige Familienangehörige, den sie auf der Welt hat.« Sie sah sich hilfesuchend zu ihrem Mann um.
»Keine Sorge, mein Herz«, beeilte er sich zu sagen. »Wir planen nichts zurzeit. Jaufré kann sich ganz um seine Tochter kümmern.«
Die Gräfin wandte sich wieder an mich. »Wenn Ihr eine gute Magd braucht, dann sagt es nur. Ich schicke Euch jemanden.«
»Das werde ich gern annehmen,
Domina.
«
»So ist es abgemacht. Und zögert nicht, mich zu bitten, wenn Ihr noch irgendetwas benötigt.«
»Ich verspreche es,
Domna
Elena.«
Sie lächelte mir noch einmal herzlich zu und verließ mit einem Kopfnicken Richtung Bertran den Saal.
Wir blickten ihr nach und schwiegen einen Augenblick.
»Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck«, sagte Bertran.
Es stand mir nicht zu, eine Meinung über die
domina
zu äußern. Stattdessen räusperte ich mich und sprach gleich an, was mich bedrückte.
»Herr, was Euren Vetter angeht, so tut es mir leid, dass es heute zu einem solchen Vorfall gekommen ist.«
Bertran hob erstaunt die Augenbrauen. »Es tut dir leid? Verdammt, Jaufré«, fluchte er dann. »Dir hat nichts leidzutun.« Er machte eine ungeduldige
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