Der Bastard
geschehen war, musste das Rätsel um die Geburt des Jungen lösen, musste die Menschen aufsuchen, mit denen Anna in dem halben Jahr vor ihrem Tod zusammen gewesen war oder die zumindest Kontakt zu ihr gehabt hatten. Es war Zeit, ins Bett zu gehen. Morgen würde sie beginnen, Antworten zu suchen.
Dritter Tag
15
A m Morgen stand lediglich eine kurze Meldung auf der Lokalseite der Main-Post , der überregionalen Tageszeitung für Mainfranken: Schwarzer Junge hing tot im Wehr.
Die insgesamt zwölf Zeilen schilderten in knappen Worten, was aus der Pressemitteilung der Kriminalpolizei tags zuvor zu entnehmen gewesen war. Der verantwortliche Redakteur hatte mit sich ringen müssen, das Foto des Jungen in die Nachricht einz u bauen. Tote Kinder kamen neben Jubiläumsfeiern und Rathau s nachrichten beim Frühstück nicht gut bei den Lesern an.
Kilian saß bei einer Tasse Kaffee, Marmelade und Brötchen neben seiner Mutter Katharina, bei der er die letzten Wochen untergekommen war. Sie freute sich darüber, dass ihr Sohn nun endlich wieder bei ihr war. Mehr gezwungen als freiwillig, was sie j e doch nicht wusste, denn Pia war sich über die gemeinsame Zukunft mit Kilian noch immer nicht im Klaren. So lange genoss er die Vorzüge des Lebens bei der Mutter, saubere Wäsche, einen gedeckten Frühstückstisch und eine aufgeräumte Küche. Wenn er abends nach Hause kam, war Katharina bereits vor dem Fernseher eingeschlafen oder im Bett, s o dass ihm ein ‹ Na, wie war dein Tag › -Gespräch e r spart blieb.
Das Zippo schnappte auf und entzündete einen Zigarillo. Nach den zwei Tassen Kaffee und einem Brötchen war das der eigentliche Beginn eines Tages für Kilian.
«Diese Dinger bringen dich noch um», sagte Katharina besorgt und ohne Hoffnung, dass er ihren Rat, mit dem Rauchen aufzuhören, befolgen würde.
«Wieso soll meine Lunge länger leben als ich?», beendete Kilian beiläufig das ewig gleiche Ritual am Morgen. Er blätterte vom Lokalteil weiter zu den Weltnachrichten. Deutscher Blauhelm-Soldat im Libanon getötet.
«Habt ihr euch schon für einen Termin entschieden?», fragte Katharina.
«Was meinst du?»
«Für die Trauung.»
Kilian blickte von der Zeitung hoch. «Mama, lass doch erst mal den Kleinen zur Welt kommen. Alles Weitere sehen wir dann. Man muss heute nicht mehr verheiratet sein, um ein Kind zu bekommen.»
«Soll er vielleicht unehelich geboren werden?»
«Wieso nicht?»
Katharina rang nach Worten. «Na, hör mal. Du willst doch dem Kind nicht die Zukunft verbauen.»
«Weil er unehelich zur Welt kommt?»
«Das kriegt er nie wieder los. Bis zu seinem Lebensende wird er ein unehelicher Balg sein. Wenn schon nicht für euch, tut es wenigstens für das Kind.»
Kilian wandte sich wieder den Nachrichten zu. «Mal sehen.»
Er war sich noch nicht mal sicher, ob sein Kind einen Vater haben würde, was sollte da eine Trauung? Wen n P ia dieser Vorschlag zu Ohren käme, dann konnte er ihre Beziehung vergessen.
Auf einer Seite fiel ihm eine Stellenanzeige der Sibelius-Klinik auf. Sie suchten nach Ärzten mit Erfahrung aus der Tropenmedizin und der plastischen Ch i rurgie. Der Branche schien es gutzugehen, dachte er. Privatkliniken wie diese zahlten besser und boten Pe r spektiven.
«Magst du Pia nicht mal am Wochenende zum Essen einladen?», legte Katharina nach, die die Wortkargheit und Verschlossenheit Kilians nicht weiter tolerieren mochte. «Ich habe sie schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen.»
«Sie arbeitet viel», wehrte Kilian ab.
«Ein Grund mehr, und das bei ihrem Zustand.»
Nun wurde es kritisch. Kilian schlug die Zeitung zu und erhob sich. «Die Arbeit ruft. Warte nicht auf mich. Es kann spät werden.»
Er war bereits im Flur, als seine Mutter ihm nachrief : « Ich mach auch Schweinebraten und Weckklöß. Die isst du doch so gern.»
Zwei Kilometer Luftlinie entfernt saß Ubunta in einem ihrer zahlreichen Meetings. Sie gehörte in Kenia dem nationalen Kulturbeirat an und vertrat die Interessen der kenianischen Künstler auf dem Festival. Ein Promoter war angereist, um mit ihr über ein in der Schweiz stattfindendes Kulturfestival zu sprechen. Er suchte nach neuen Künstlern, mit neuen Ansätzen. Während er redete, tippte U bu n ta unter dem Tisch eine SMS in ihr Handy. Melde dich.
Auf derselben Mainseite, nur ein paar Straßenzüge entfernt, betrat Schorsch Heinlein sein Büro. Aus der offenen Tür zu Sabines Büro wehte frischer Kaffeegeruch herüber, und Musik erklang aus
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