Der Bastard
überraschte ältere Frau im Bademantel.
Sie nahm das Bild, führte es nahe an die Augen heran und studierte es. «Ja, klar. Das ist der Junge von n e benan.»
«Name?»
«Warten Sie», begann sie zu überlegen, «es fällt mir gleich wieder ein. Ich hab ’ s nicht so mit den N a men, wissen Sie. Gesichter kann ich mir merken, a ber Namen sind so ’ ne Sache.»
«Kein Problem, wir haben Zeit», log Heinlein.
«Sein Vater ist erst vor kurzem eingezogen, eine Woche später als ich. Er hat mich gebeten, seinem Soh n b ehilflich zu sein, wenn er etwas braucht. Er ist ja den ganzen Tag unterwegs.»
«Haben Sie den Jungen vorgestern Nacht ges e hen?», fragte Heinlein.
Sie dachte nach. «Ja, er kam spät. So gegen … irgendwann nach den Tagesthemen und kurz vor Kerner im ZDF. Ich habe ihn reingelassen, weil er glaubte, die Schlüssel zur Wohnung verloren zu haben.»
«Hatte er?»
«Nein, sie waren ihm im Rucksack ganz nach u n ten gerutscht. Draußen im Dunkeln konnte er sie nicht finden.»
«Er ging dann in die Wohnung?», fragte Kilian.
«Ja.»
«Blieb er auch dort?»
«Das nehme ich an. Ich habe ihn nicht mehr weggehen sehen. Allerdings bin ich bei Kerner eingeschl a fen.»
«Ist Ihnen an ihm irgendetwas aufgefallen? War er verstört oder gar verletzt?»
Wieder Nachdenken. «Seine Hosen waren zie m lich verstaubt, ungewöhnlich für ihn, da er immer sehr gepflegt ist. Er sagte, dass er auf dem Afrika-Festival war. Und da ist es ja immer recht staubig.»
«Wie können wir Kontakt zu seinem Vater aufnehmen?», fragte Kilian.
«Warten Sie, ich habe eine Telefonnummer.»
Sie verschwand in der Wohnung, tauchte aber eine Minute später mit einem Adressbuch wieder auf. Sie notierte die Nummer auf einen Zettel und gab sie Kilian.
«Kann ich Ihre Wohnung mal kurz sehen?», fragte Kilian.
Die Frau blickte erstaunt. «Sicher. Warum?»
«Ich will nur mal sehen, wie die Wohnung raus zum Main verläuft.»
«Kann ich Ihren Ausweis nochmal sehen?»
Er hielt ihn ihr hin.
«Kommen Sie rein.»
Kilian kam der Einladung nach. Ein schmaler Uferstreifen trennte den Neubau vom Fluss. Von hier aus war es ein Leichtes, einen Kinderkörper im Main zu entsorgen.
Kilian bedankte sich und verließ die Wohnung. Er traf auf einen erstaunten Heinlein.
«Jetzt hab ich ’ s», rief sie ihm nach. «Ich brauch einfach nur ein bisschen Zeit, dann geht es schon.»
20
N ach dem Besuch bei Clara und Heinrich machte Pia auf dem Heimweg einen Umweg über die Gerichtsmedizin und holte die Akte mit dem Obduktionsbericht von Annas Sohn. Sie hielt einen kurzen Mittagsschlaf, und als sie aufwachte und die Beine aus dem Bett schwang, war der Name plötzlich da. Jonathan King s ley, Maximilians Studienkollege. Er war der Mann im Jaguar.
Sie öffnete noch einmal den Karton mit Annas Hinterlassenschaft und untersuchte dieses Mal den Stape l « vor der Hochzeit» etwas genauer. Dabei stieß sie auch auf zwei Bilder, die Anna, Maximilian und Jon a than zeigten. Sie schaltete ihren Computer ein, und während sie wartete, dass er hochfuhr, machte sie sich zwei Schinkenbrote. Dann startete sie die Suchmaschine und stellte fest, dass es zumindest einen R o man- und einen Filmhelden dieses Namens gab, lust i gerweise waren beide Figuren Ärzte.
Es dauerte nicht lange, und sie fand den Jonathan Kingsley, den sie suchte. Er arbeitete in der Sibelius-Klinik. Pia staunte mal wieder, was man im Internet so alles herausfinden konnte. Von Jonathan gab es praktischerweise sogar einen Lebenslauf. Aus diesem ging hervor, dass er schon seit Ende seines Studiums in der Klinik arbeitete, somit konnte sie ihn als Vater von Annas Soh n w ohl ausschließen. Es wäre auch ein zu großer Zufall, dachte sie, dass der erste Schwarze, den sie mit Anna in Verbindung bringen konnte, der Vater war. Aber dennoch beschloss sie, ihn aufzus u chen. Er war schließlich ein guter Freund von Max und Anna. Sie hatte in der Klinik angerufen und e r fahren, dass er Dienst hatte.
Sie fuhr durch das Steinbachtal, der Wald zu ihrer Linken glänzte in frühlingshaftem Grün. Zu ihrer Rechten lagen Villen am Hang. Nachdem sie ung e fähr die Mitte des Tals erreicht hatte, sah sie im Augenwinkel das riesige Schild eines Maklerbüros und erkannte im nächsten Moment das Haus, von dem Claudia am Abend zuvor gesprochen hatte. Einem Impuls folgend, hielt sie an. Es war eine wundersch ö ne Bruchbude. Der riesige Balkon sah aus, als würde er im nächsten M o ment abbrechen. Dennoch
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