Der Bastard
Geschmäcken überwältigt. Als sie das exotische Mahl lobte, war es für Clara das Stic h wort, sich lang und breit über afrikanische Küche und Essgewohnheiten auszulassen. Im Augenwi n kel sah Pia, wie Heinrich leicht die Augen verdre h te.
«Die Afrikaner kochen einfach. Ich versuche, das Ganze etwas zu verfeinern und mit europäischen Gewürze n z u kombinieren. Bei diesem Gericht verwende ich zum Beispiel sehr viel kleingehackten R u cola, den gibt es in Afrika gar nicht.»
«Jetzt lass mal gut sein, Clara», unterbrach schließlich Heinrich den Redefluss. «Pia, dein Besuch hat doch sicher einen Grund. Solltest du dich doch endlich entschlossen haben, das Lager zu wechseln? Von den toten zu den lebenden Patienten?»
Pia verneinte lachend. Aber nun war der richtige Moment gekommen. Wenn sie es jetzt nicht schaffte, die Sprache auf Anna zu bringen, würde Clara endgültig dafür sorgen, dass ihr Besuch ergebnislos verlief.
«Es geht um Anna», sagte sie.
Clara sah nicht von ihrem Teller auf, und Heinrich blickte sie fragend an.
«Ich habe etwas erfahren», Pia stockte, «etwas, das mich vermuten lässt, dass Anna kurz vor ihrem Tod ein Kind bekommen hat.»
Claras Miene blieb ausdruckslos.
«Von wem hast du das erfahren?»
Interessante Wortwahl, dachte Pia. Nicht wie, sondern von wem, und sie erinnerte sich an den letzten Satz, den sie zu Maximilian gesagt hatte.
«Können wir das einfach kurz dahingestellt lassen? Ich selbst hatte bis jetzt keine Ahnung davon. Wir hatten wenig Kontakt zueinander. Aber vielleicht wisst ihr etwas, vielleicht hat sie mit einem von euch darüber gesprochen.»
Sie sah zu Heinrich. Was auch immer ihre Eröffnung bei ihm ausgelöst hatte, war einem freundlichen und interessierten Blick gewichen.
«Warum hätte sie ein Kind vor uns verbergen sollen? Wir hätten uns ein Enkelkind sehr gewünscht. Und auch Maximilian wollte Kinder. Ich kann mir nicht vorstellen, was du herausgefunden zu haben glaubst, aber ich halte es für ausgeschlossen, dass deine Schwester ein Kind hatte, von dem niemand etwas wusste.»
Pia wollte nicht so schnell aufgeben. «Wann habt ihr sie denn das letzte Mal gesehen?»
Heinrich antwortete: «Bei der Hochzeit. Wir hatten zwar einige Monate später einen Besuch geplant. Aber ich bin krank geworden und musste mich einer Operation unterziehen. Maximilian ist gekommen, um die Leitung der Klinik zu übernehmen. Anna ist in Kenia geblieben.»
Clara hatte schweigend zugehört. «Pia, meine Li e be, könnte es sein, dass dich deine Schwangerschaft etwas, wie soll ich sagen, durcheinanderbringt?»
Ihr Ton klang besorgt, und auch ihre Miene zeigte Sympathie und Zuneigung.
«Wir hatten viel Kontakt zueinander. Besonders mit Heinrich hat deine Schwester lange Telefonate geführt. Sie hat sich sehr mit den Methoden der Medizinmänner beschäftigt und mit Heinrich darüber gesprochen. Aber das weißt du ja leider alles nicht. Wir hätten dir gern alles erzählt aus der Zeit vor i h rem Tod, aber du hast auf meine Briefe und Nachrichten nicht reagiert.»
Es war keine Anklage in Claras Ton, und doch fühlte sich Pia in die Defensive gedrängt. Es war, als hätte Clara gesagt: Du hast dich für das Leben deiner Schwester nicht interessiert.
«Wieso glaubst du jemandem dieses Märchen vo n A nnas Kind? Wir müssten es wissen, und wir wissen von nichts.»
Clara hob ein Glöckchen vom Tisch und klingelte. Sofort erschien das Mädchen und begann den Tisch abzuräumen.
«Willst du uns nicht verraten, wie du auf den Gedanken kommst? Dann könnten wir das Rätsel vielleicht einfacher lösen», sagte Heinrich.
Das konnte Pia nicht. Aber sie konnte ihnen etwas anderes sagen, etwas, das vielleicht zu einer Reaktion führen würde.
Clara stand auf. «Können wir dir noch etwas anbieten ? »
Es war keine Einladung, sondern eine eindeutige Aufforderung, den Besuch zu beenden. Pia überging die Frage und beschloss, zum Angriff überzugehen.
«Das Kind war nicht von Maximilian.»
Dieses Mal sah Pia zu Heinrich. Doch sein Gesicht verriet rein gar nichts.
«Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Du erzählst etwas von einem ominösen Kind, und jetzt wirfst du deiner Schwester auch noch Ehebruch vor.»
«Das werfe ich ihr nicht vor. Aber Anna hatte ein Kind. Und es war nicht von Maximilian.»
Darauf folgte Schweigen. Es war Clara, die das Gespräch wieder aufnahm.
«Solange du uns nicht sagst, wie du auf diese Idee kommst, bin ich nicht bereit, meiner
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