Der Bastard
verströmte das Haus Cha r me. Pia stellte sich vor, hier zu wohnen, und sie musste sich eingestehen, dass es keine schlechte Vorstellung war. Eingewachsenes Grundstück, viele Räume, eine nur wenig b e fahrene Straße und ein Blick aufs Grüne. Leider eine Prei s klasse zu hoch. Mit leisem Bedauern fuhr sie weiter bis ans Ende des Tals und bog in die Auffahrt der S i belius-Klinik ein.
Sie hatte kaum Zeit, sich umzusehen, als schon e i ne adrett gekleidete junge Dame auf sie zukam.
«Ich bin Monika Behrens, kann ich Ihnen weiterhelfen?»
Pia stellte sich kurz vor und fragte nach Dr. Kingsley.
«Ich würde ihn gern privat sprechen», fügte sie noch hinzu.
Die Frau verschwand, und kurze Zeit später kam sie lächelnd zurück.
«Ich bringe Sie zu Dr. Kingsley.»
Sie wies einladend auf den Fahrstuhl.
Dr. Kingsley stand mitten im Raum. Er reichte ihr die Hand, und sie erkannte das Gesicht aus dem Jaguar. Auch er erinnerte sich.
«Ich muss gestehen, dass ich Sie vorhin nicht gleich erkannt habe, doch als Sie mir eben angekündigt wurden, hat es natürlich klick gemacht. Bitte setzen Sie sich, Frau Dr. Rosenthal.»
Er wies zu einer gemütlich wirkenden Sitzgruppe, auf der sie sich niederließen.
« Dr. Kingsley», begann Pia, ohne eine Gesprächspause eintreten zu lassen, «ich bin hier, weil ich so viele Jahre nach dem Tod meiner Schwester etwas erfahren habe, das für mich ein Rätsel ist. Ich will Sie nicht lange aufhalten, würde Ihnen aber gern einige Fragen stellen.»
Kingsley schwieg, nickte aber aufmunternd.
«Sie kannten meine Schwester, Sie waren mit ihr und Maximilian befreundet. Gab es irgendwelche Anzeichen, dass die Ehe der beiden nicht ganz in Ordnung war?»
Pia verdrehte innerlich die Augen. Sie drückte sich wirklich seltsam aus.
«Sie meinen, ob sie Streit hatten oder unglücklich waren?», vergewisserte sich Kingsley.
Pia nickte.
«Sie hatten eben erst geheiratet. Und kurz nach der Hochzeit mussten sie sich schon wieder trennen. Ich weiß nicht, ob sie für Streit genug Zeit hatten.»
«Können Sie sich vorstellen, dass meine Schwester eine Affäre hatte?»
Er lächelte. «Früher oder später vielleicht. Die beide n w aren sehr unterschiedlich. Ihre Schwester, Anna, war begabt, lebenslustig und voller Energie. Maximil i an ist eher der ruhige, häusliche Typ.»
«Gab es jemanden, der Anna besonders nah e stand?»
«Sie denken natürlich an einen Mann?»
Pia nickte.
Kingsley sah nachdenklich zum Fenster hinaus. Pia konnte nicht erkennen, ob er wirklich versuchte, eine Antwort zu finden.
«Mir fällt niemand ein. Doch ich war damals schon in Deutschland tätig und weiß nicht, mit wem Anna zusammengearbeitet hat oder mit wem sie b e freundet war. Aber erlauben Sie mir die Frage, weshalb Sie plötzlich dieses Interesse am Liebesleben Ihrer Schwester entwickeln.»
Spätestens dieser letzte Satz zeigte Pia, dass er sich offenbar köstlich amüsierte.
«Das möchte ich gerne für mich behalten.»
Pia biss die Zähne zusammen und schluckte ihren Ärger hinunter. Kingsley war außer der Familie Sibelius der Einzige, der ihr etwas über Anna sagen konnte.
«Für mich ist alles sehr verwirrend. Ich kann Sie nur bitten, mir weiterzuhelfen, ohne dass ich ganz offen zu Ihnen bin. Wenn Sie eine Affäre meiner Schwester für immerhin möglich halten, können Sie sich vorstellen, was geschehen wäre, wenn sie von einem anderen Mann als Maximilian ein Kind b e kommen hätte?»
Er zuckte mit den Schultern. «Sie hätte den Mund halten müssen, und keiner hätte es gemerkt. Und wenn Maximilian es trotzdem rausgefunden hätte, hätte er auch geschwiegen. Ich glaube nicht, dass er seine Eltern über ein uneheliches Kind seiner Frau informiert hätte. Un d w enn Anna sich zur Scheidung entschlossen hätte, dann wäre dieser Sturm auch irgendwann vorübergezogen.»
«Und wenn das Kind schwarz gewesen wäre?»
Bei dieser Frage endlich schien Kingsleys Belustigung nachzulassen. Er schwieg.
Pia blieb am Ball. «Wenn Annas Geliebter kein Weißer gewesen wäre, sondern ein Schwarzer?»
Kingsley schwieg zunächst, doch dann sagte er mit leiser Stimme: «Das wäre perfekt gewesen.»
«Wie bitte?» Pia glaubte, sich verhört zu haben.
Er sah auf und blickte ihr direkt in die Augen. Dann beugte er sich vor. «Sie kennen doch Clara und Heinrich. Maximilian will seinen Eltern alles recht machen, ob es ihm selber gefällt oder nicht. Dieses hypothet i sche Kind, von dem Sie sprechen, wäre etwas
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