Der Bastard
Flug im Juli vor dreizehn Jahren gewesen sein.»
Sie stiegen in den Keller hinunter, durchquerten einen langen Gang, bis sie schließlich ins Archiv gelangten, das sich in einem beachtlichen Gewölbe befand. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch mit Computern und Scannern, ringsum Regale. Sie fuhr einen Rechner hoch und gab in die Eingabemaske die Jahreszahl und den Monat ein.
«Wir haben die Digitalisierung aller Unterlagen noch nicht vollständig abgeschlossen», sagte sie, wä h rend das Programm die Datenbank durchforstete. «Wir arbeiten uns gerade zu den neunziger Jahren vor. Der Beleg, nach dem Sie suchen, wird vermu t lich noch nicht erfasst sein und dürfte sich in einem der Ordner verstecken. Das könnte dann etwas da u ern.»
Kilian nickte mit Blick auf die prallgefüllten Reg a le . « Das scheint mir eine Lebensaufgabe zu sein, die Sie hier unten zu bewältigen haben.»
Sie schmunzelte. «Ich bin nun die Vierte, die sich daranwagt. Meine Vorgänger drangen bis zum Jahrtausendwechsel durch. Ich habe mir bis zum Ende meines Trainee -P rogramms die Neunziger vorgenommen. Mal sehen.»
«Wofür die ganze Arbeit? Ich meine, Rechnungen vergangener Jahre zu digitalisieren erscheint mir nicht gerade zukunftsweisend.»
«Im Gegenteil. Je genauer wir auf die Wertentwicklung der Sibelius-Klinik in den letzten zwanzig Jahren zurückgreifen können, desto besser lassen sich Invest i tionsmodelle erstellen.»
«Benötigt die Klinik denn Investitionen?»
Wieder ein Schmunzeln. «Was glauben Sie denn, was eine moderne Herz-Lungen-Maschine oder ein Computertomograph kosten?»
«Keine Ahnung.»
«Sehr viel, glauben Sie mir.»
Sie erhob sich und verschwand in einer der Regalschluchten. «Kommen Sie», rief sie Kilian zu. Er fol g te und fand sie auf einer Leiter stehend.
«Können Sie mir kurz damit helfen?», sagte sie und reichte ihm mehrere Ordner.
Vollbepackt gingen sie an den Tisch zurück.
«Das alles ist der Monat Juli. Wie ich befürchtet hatte, ist er noch nicht in der Datenbank. Damit bleibt nur noch die Suche per Hand.»
Kilian fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, der jungen Frau den Sonntag zu ruinieren. Dennoch, er musste den genauen Termin für Maximilians Flug nach Afrika in Erfahrung bringen.
Sie las es in seinem Gesicht und machte sich an die Arbeit.
«Kann ich Ihnen dabei helfen?», fragte sein schlechtes Gewissen.
«Nein, Sie bringen mir wahrscheinlich alles durcheinander. Gehen Sie einen Kaffee trinken, ich rufe Sie dann.»
«Ich hole Ihnen am besten auch einen.»
«Mit Milch, ohne Zucker», antwortete sie und klappte den ersten Ordner auf.
Kilian ging zur Tür, wandte sich aber noch einmal um . « Wie kann ich herausfinden, ob einer der Ärzte vor ein paar Tagen Dienst hatte?»
«Oberschwester Mathilda, zweiter Stock», antwortete sie, ohne aufzublicken.
Wie er es vermutet hatte, glaubte sich Kilian eher i m V ier Jahreszeiten als in einer Klinik. Frische Blumen entlang der mit Teppichen ausgelegten Gänge, an den Wänden eine Mischung aus alten Meistern und den Shootingstars der heutigen Kunstszene, nichts wirkte aggressiv, sondern eher ideenreich. Die Zi m mer waren mit elektronischen Schlössern versehen, die Knäufe schimmerten golden. Niemand war zu sehen, kein Geräusch belästigte den Gang zum Schwester n zimmer.
«Oberschwester Mathilda?», fragte Kilian eine Frau, die allein am Tisch saß.
Sie erhob sich. «Ihr Dienst beginnt um 20 Uhr. Kann ich Ihnen weiterhelfen?»
«Mein Name ist Kommissar Kilian. Dr. Maximilian Sibelius sagte mir, dass er am Donnerstagabend nochmal kurz im Haus war, um ein Patienteng e spräch zu führen. Wissen Sie etwas davon?»
«Donnerstag», bemühte sie ihre Erinnerung. «Warten Sie.»
Sie ging zu einem Schrank, holte ein abgegriffenes Buch heraus und blätterte darin. «Donnerstagabend hatte Dr. Fehrenbach Dienst. Ich kann nicht sehen, ob Dr. Sibelius im Haus war.»
«Hatten Sie Dienst?»
«Nein, Oberschwester Mathilda.»
Kilian schrieb seine Telefonnummer auf einen Zettel . « Können Sie ihr ausrichten, mich anzur u fen?»
«Sicher.»
«Ist denn Dr. Fehrenbach zu sprechen?»
«Der hat Urlaub. Aber versuchen Sie es doch u n ten an der Rezeption. Ich glaube, Herr Günther hatte an diesem Abend Dienst.»
Kilian bedankte sich und machte sich auf den Weg. Die zwei Stockwerke hinunter in die Empfangshalle wurde er von zwei Patienten begleitet, die sich über die politischen Verhältnisse in Nigeria unterhielten. Es ging um Öl,
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