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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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eines
Bierausfahrers an den Straßenrand. Sie tat ihm so leid. Hatte er schon drei
Mädchen im Krankenhaus, hätte er sie gern auch noch dazugelegt. Aber Else war
nicht mehr zu helfen. Fräulein Else war reif für den Abdecker.
    Er lud seine Einkäufe in die durch den Unfall
verbeulte Babywanne, setzte die Waage obendrauf und stieg damit in ein Taxi. Er
fuhr ab, ohne sich noch einmal nach Else umzuschauen. Es wäre ihm zu schwer
gefallen.
    Abgesehen von seiner tiefen Trauer um ein altes
Auto und dem Ärger, von jetzt ab wieder mit der Straßenbahn fahren zu müssen,
abgesehen von dem Theater mit den Versicherungen und der noch ungeklärten
Rechtslage, war Bastian nicht so verbittert, wie er es eigentlich hätte sein
müssen. Das lag an Katharina Freude. Sie hatte nicht gegen ihn ausgesagt. Sie
hatte sich dumm gestellt auf die Gefahr hin, alle Sympathien ihres Chefarztes
zu verlieren.
    Sie wußte, daß er ihretwegen gebremst,
ihretwegen sein Auto riskiert hatte.
    Und das Schönste von allem — sie hatte ihn
angeschaut wie eine Frau, die sich langsam und staunend verliebt.
    Martha Guthmann empfing Bastian bereits in der
Eingangshalle. »Wo warst du denn so lang? Ich dachte, du kommst nicht mehr, bei
dir weiß man ja nie — schickt man dich um eine Vase, kommst du erst am nächsten
Tag wieder. Hast du alles besorgt?«
    »Zähl nach.« Er wuchtete die überquellende
schwere Babywanne auf einen Tisch. Sie überflog kurz ihren Inhalt, vermißte
nichts. Sah ihn dennoch vorwurfsvoll an.
    »Und warum kommst du so spät?«
    »Ich hatte eine Karambolage.«
    »Stell dir vor, der Chefarzt auch, sagt
Schwester Theresa.«
    »Das ist Zufall«, lachte Bastian.
    »War’s schlimm?« fragte sie besorgt.
    »Meine Else ist hin. Total hin.«
    »Ah geh — «, sagte Großmutter und empfand einen
dunkellila Triumph: »Aber ich hab’s dir ja immer gesagt, Bub... du wolltest ja
nicht hören: Das hast du nun von deiner Raserei!«
     
     
     

Ohrenwackeln
     
    Zwei Tage später ging Bastian Guthmann zum
erstenmal mit Katharina Freude aus. Aber das war erst am Abend.
    Am Vormittag desselben Tages wurde seine
Großmutter aus dem Krankenhaus entlassen.
    Sie schied wie eine Landesmutter.
    In den zwei Wochen ihres Spitalaufenthaltes
hatte sie sich mit der gesamten gynäkologischen Station angefreundet — mit den
Schwestern, den Schwesternschülerinnen, den Putzfrauen, Patientinnen und auch
mit den Besuchern der Patientinnen, ob diese wollten oder nicht.
    Martha Guthmann überfuhr jeden mit ihrer
despotischen Herzlichkeit. Sie mochte nun mal ihre Mitmenschen, und dieselben
hatten, verdammt noch mal, Martha Guthmann zu mögen. So einfach war das bei
ihr.
    Großmutter mochte ihre Mitmenschen, was nicht
ausschloß, daß sie ständig mit zwei bis drei von ihnen — vor allem Verwandten —
zerstritten war.
    Als Bastian gegen elf Uhr ins Spital kam, um sie
abzuholen, war nur Frau Kynast im Zimmer. Flach hingestreckt und frisch
bezogen, mit gefalteten Händen lag sie da wie aufgebahrt. Man konnte bei ihrem
Anblick richtig erschrecken, vor allem, wenn man ihrem Blick begegnete. Er
lauerte in den Augenwinkeln auf ein Opfer. Das Opfer war Bastian, dem es nicht
mehr gelang, zu türmen. »Junger Mann!« Ihre Stimme nagelte ihn fest. »He, Sie —
warten Sie!«
    Er seufzte.
    »Ihre Oma ist nicht da. Die wird heute
entlassen.«
    »Deshalb komme ich ja«, sagte er. »Wo ist sie
denn hin?«
    »Ich werd’ nächste Woche entlassen.«
    »Aha.«
    »Wie bitte?« fragte Frau Kynast.
    » Ich habe >aha< gesagt !«
    Eine Schwester kam herein, um Großmutters Bett
abzuziehen. »Sie haben eine schöne, laute Stimme«, sagte sie anerkennend zu
Bastian. »Man hört sie schon am Ende des Flurs.«
    »Warum trägt sie keinen Hörapparat?« fragte er
erschöpft. »Sie sagt, er juckt sie im Ohr. — Übrigens, wenn Sie Ihre Großmutter
suchen, die ist auf Verabschiedungstournee. Schade, daß sie geht, sie war eine
angenehme Patientin. Sie hat uns alle eingeladen. Wir sollen sie mal besuchen.
Nett, nicht?«
    »Wissen Sie zufällig, wo sie jetzt ist?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht bei Fräulein Schulz?«
    Als er das Zimmer verlassen wollte, sagte Frau
Kynast: »Es hat Ihrer Oma hier gut gefallen. Sie geht richtig schwer weg.«
Erstaunlich, woran sich der Mensch alles gewöhnen kann, dachte Bastian. Selbst
an ein Krankenhaus.
    »Wo sie doch so viel hier zu tun hatte«, sagte
Frau Kynast, »um alles mußte sie sich kümmern, was sie nichts anging. Uns hat
sie ganz schön in Trab

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