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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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gehalten. Sie ja auch, junger Mann.«
    » Hat sie «, bestätigte er brüllend und
winkte verabschiedend auf Frau Kynast nieder. »Servus, Süße.«
    Und genau das verstand sie ohne Mühe.
    Bastian schritt wie ein Sieger durch die Flure.
Denn von jetzt ab brauchte er nicht mehr hinter jedem weiblichen Kittel her
durch die Gänge zu flitzen in der Hoffnung, einen erstaunten Blick von
Katharina Freude zu erwischen.
    Von jetzt ab wählte er ganz einfach ihre
Telefonnummer. Er hatte deren zwei erhalten, die private und die vom Spital,
und er hatte in 24 Stunden schon fünfmal bei ihr angerufen. Er hatte sie aus
dem Schlaf geholt und aus der Badewanne und aus einer Chefbesprechung, und wenn
er ihre Stimme hörte, dann wußte er nicht mehr, was er sagen wollte, weil seine
Gefühle und seine Phantasie schon viel zu intim mit ihr umgingen. Sie waren
bereits viel weiter fortgeschritten mit Katharina Freude als er selbst.
    Vor allem aber war sie selbst noch nicht soweit.
Sie gestattete ihm zwar, sie anzurufen, aber nach der vierten Störung
antwortete ihm nicht mehr die amüsiert-abwartende Stimme einer Frau, die sich
den Hof machen läßt, sondern die kühle Ungeduld einer Ärztin, die
Lebenswichtigeres zu tun hat, als sich halbe Sätze und verliebte Pausen am
Telefon anzuhören.
     
    Bastian grüßte nach rechts und links, als er
über den Flur zu Susis Zimmer ging. Er hatte schon viele Bekannte hier. Susi
Schulz stand im rosa Morgenrock vor ihrem Bett und wischte Krümel vom Laken.
    »Wer nie sein Brot im Bette aß, weiß nicht, wie
Krümel pieken.«
    »Ach du, Bastian.«
    Sie stand gleich darauf liebebedürftig in seiner
Umarmung herum und gab ihr damit eine Bedeutung, die über eine herzlich
gemeinte Begrüßung weit hinausging und Bastian verlegen machte. Das war schon
ein Kreuz mit der Susi.
    Er tat, als ob er niesen müßte — so kam er am
leichtesten von ihr frei. »Geht’s denn, Mütterchen?«
    »So na ja — «, auf einen Seufzer gesprochen.
    »Das klingt nicht doll.«
    »Ich bin ein bißchen fertig, weißt du.« Susi
setzte sich auf den Bettrand. »Bei jeder Kleinigkeit könnte ich heulen. Alle
Probleme erscheinen mir übergroß. Ich denk’ immer, sie erdrücken mein
Kathrinchen und mich.«
    »Aber ich nehme sie dir doch schon alle ab«, gab
Bastian zu bedenken.
    »Das weiß ich. Trotzdem. Die Freude sagt, das
ist typisch nach einer Geburt.«
    Bastian blühte auf, weil sie Katharina Freude
erwähnt hatte. »Das machen eben die Nerven«, sagte er heiter.
    »Ja — wahrscheinlich.« Susi drehte an einem
Fussel, der aus ihrem Morgenrock herausragte.
    Er empfand ihre schmalschultrige Gestalt, diese
herzförmige Traurigkeit unter mittelgescheitelten schwarzen Madonnenhaaren wie
einen Vorwurf gegen seine eigene Fröhlichkeit. Dabei — - war es seine Schuld,
daß sie den Falschen geliebt hatte? Und vor lauter Verknalltheit vergessen
hatte, die Pille zu nehmen!?
    »Haben sich deine Eltern inzwischen gemeldet?«
fragte er. »Meine Mutter hat geschrieben, daß sie uns nicht brauchen kann. Ihre
Wohnung ist zu klein. Mein Vater hat 300 Mark geschickt. Aber davon darf seine
zweite Frau nichts wissen. Die machen es sich alle so leicht.« Susi sah zu ihm
auf. »Wenn ich dich nicht hätte, Bastian!«
    Wieso hat Susi mich? dachte er besorgt. Wieso
macht sie es sich so leicht, indem sie ihre Probleme auf mich abschiebt?
Was geht da Bedenkliches in ihrem Kopf vor? In ihrer Verlassenheit war sie auf
dem besten Weg, ihn als Vater für Kathrinchen zu adoptieren.
    »Hast du meine Großmutter gesehen?« lenkte er
ab.
    »Schon mehrmals heute. Sie hat uns eingeladen,
Kathrinchen und mich. Wir sollen sie oft besuchen. Deine Großmutter ist
wunderbar, Bastian.«
    »Aber anstrengend.«
    »Ich wünschte, du wärst Kathrinchens Vater«,
sagte Susi. »Nein«, sagte Bastian erschrocken, »hör zu, ich mag dich, ich mag
dich ehrlich, Susi, und wenn ich was für dich tun kann, jederzeit, aber — .«
    »Ich mein’ ja bloß, wenn du Kathrinchens Vater
wärst, dann wäre deine Großmutter Kathrinchens Urgroßmutter.«
    »Ja und?«
    Susi seufzte. »Dann hätte Kathrinchen es schön.«
    Zum erstenmal tat Susi ihm mehr leid als er sich
selbst in der Angelegenheit Katharina II. von links.
    »Wird schon werden, Susi«, tröstete er
schulterklopfend töricht.
    »Wird schon. Wir haben ja dich, Bastian.«
    Martha Guthmanns geräuschvoller Einbruch ins
Krankenzimmer beendete das seelenvolle Gespräch. Sie schien sehr in Fahrt —
offensichtlich in keiner

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