Der Bastian
guten.
»Hier steckst du, ich such’ dich!«
»Ist was passiert?«
»Das sag’ ich dir. Komm mal mit.« Sie ließ ihm
keine Zeit, sich von Susi zu verabschieden, winkte selbst nur ein flüchtiges
»Bis bald, Kindchen« in ihre Richtung und schoß aus dem Zimmer, Bastian
hinterher. Hielt auch auf dem Flur nicht an. In ihr war Sturm, ein echter
Hacker.
»Nun sag schon!«
Martha Guthmann zog aus ihrer großen
kunstledernen Hebammentasche eine Rechnung hervor. »Da, lies mal! Eine
UnVerschämtheit!«
»Deine Spitalrechnung. Na und? Glaubst du, hier
gibt’s was umsonst?«
»Lies mal die Preise«, tobte Großmutter. »Allein
für die Narkose! Ja, bin ich ein Elefant, daß sie so viel gebraucht haben, | um
mich umzulegen? Und alles aus meiner Tasche!«
»Schadet dir gar nichts. Was bist du in keiner
Kasse.«
»Warum sollte ich in eine Kasse, wenn ich immer
gesund war? Überleg mal, was ich gespart hab’ in all den Jahren ohne
Versicherung. Ein Vermögen!«
»Und warum beschwerst du dich dann?« 1
»Weil die Schäfer früher billiger waren. Und
haben auch kuriert. Und was haben sie dafür genommen? Eine Flasche
Selbstgebrannten und einen Beutel Tabak.«
»Nun spiel nicht die Naive vom Lande, Frau
Guthmann.« Er legte den Arm um ihre Schulter, sie schüttelte ihn ab. »Willst du
den Chefarzt mit ‘ner Flasche Obstler abfinden?«
»Ich spiel’ nicht die Naive. Ich mein’ bloß,
Bub, wo soll das mit den Preisen hin? Allein fürs Liegen dritter Klasse kann
ich ins Luxushotel ziehen. Mit Bad und Frühstück!«
Im selben Augenblick sah sie zwei Patientinnen,
von denen sie sich bisher noch nicht verabschiedet hatte. Ihr Zorn schlug in
Herzlichkeit um.
Sie nannte die beiden beim Namen, ließ einen
Verlobten grüßen, versandte herzliche Glückwünsche an einen Herrn Herzberg, und
sie lud natürlich beide Frauen ein, sie möglichst bald zu besuchen.
Bastian dachte, wenn alle kommen, die Großmutter
bei ihrem Auszug aus dem Krankenhaus eingeladen hat, dann muß sie für dieses
Meeting den Kongreßsaal mieten.
Vordem Ärztezimmer blieb sie stehen, klopfte an
und eilte auf den Schreibtisch zu, an dem Katharina Freude saß und
telefonierte.
»Ich will nicht weiter stören, Fräulein Doktor,
ich möchte mich nur verabschieden, und nochmals alles Gute.«
Katharina mußte Telefonhörer und Zigarette
niederlegen, weil Großmutter beabsichtigte, ihre beiden Hände zu schütteln.
»Fräulein Doktor! Es war soweit ganz schön bei Ihnen — Betreuung, Liegen, auch
die Verpflegung ging, es hat mir gut gefallen, wirklich, nur die Preise-! Die
sind ja, na, wissen Sie, aber dafür können Sie natürlich nicht.«
»Nein«, sagte Katharina und lachte über die
verliebten Faxen, die Bastian hinter Großmutters Rücken vollführte, »für die
nicht, Frau Guthmann.«
Nun sprach Großmutter ihre Einladung aus: »Wenn
Sie mal einen freien Nachmittag haben, dann besuchen Sie mich, ja?«
Katharina bedankte sich und verabschiedete sich
von Bastian. »Komm endlich, Bub!«
An der Tür kehrte er noch einmal um, nahm einen
Bonbon aus seiner Tasche und legte ihn vor Katharina hin. »Bis heut abend.«
Sie lachte.
»Was hast du ihr gegeben?« fragte Großmutter,
als sie den Gang hinunter zu ihrem Zimmer gingen, um den Koffer zu holen.
»Einen Bonbon«, sagte Bastian.
»Bonbon? Einer Ärztin??? Ja, Bub, das kannst du
doch nicht machen!« Für Martha Guthmann war eine Ärztin ein höheres Wesen, dem
sie bedingungslos pariert hatte, solange sie Patientin war. »Den andern bietest
du keinen an, verstanden?«
»Nein«, sagte Bastian, »den anderen Ärzten
nicht.«
Plötzlich fiel ihr wieder ein, wie er hinter der
Freude hergewesen war.
»So, war ich das mal?«
»Frag nicht so blöd, du weißt es ganz genau.
Aber es war nicht gutgegangen. Es geht nie gut, wenn die Frau schon das Geld
verdient und der Mann noch nicht.«
Er wickelte sich selbst einen Bonbon auf und
warf das Papier fort.
»Meinst du?«
Bastian mußte zurückgehen und das Papier
aufsammeln, ob er wollte oder nicht. Großmutter wollte es.
Er steckte das Papier in eine Blattpflanze auf
einem Fensterbrett und fragte beim Weitergehen: »Warum ist es nicht gut, wenn
die Frau verdient und der Mann noch nicht?«
»Weil’s bei der Frau Lemke ihrer Tochter auch
nicht gutgegangen ist.«
»Wer ist Frau Lemkes Tochter?«
»Was fragst du, wo es dich ja doch nicht
interessiert?« sagte Großmutter und war vor ihrer Zimmertür angelangt. Sie
mußte noch hinein und Frau Kynast
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