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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Fächer, einem reichvergoldeten Perlmuttfächer. Die Fischhändlerin war besiegt; sie senkte den Kopf und hörte ihrer Mutter zu, die leise auf sie einsprach. Beim Hinausgehen trafen sich die schöne Lisa und die schöne Normande im, Vestibül mit einem unbestimmten Lächeln.
    An diesem Tage hatte Florent bei Herrn Lebigre zu Abend gegessen. Er wartete auf Logre, der ihm einen alten Sergeanten vorstellen sollte, einen tüchtigen Kerl, mit dem man den Angriffsplan auf das Palais Bourbon64 und das Hôtel de Ville besprechen wollte. Es wurde Nacht; ein feiner Regen, der am Nachmittag zu fallen begonnen hatte, tauchte die großen Markthallen in Grau. Schwarz hoben sie sich vom fuchsroten Dunst des Himmels ab, während schmutzige Wolkenfetzen fast auf gleicher Höhe mit den Dächern dahineilten, gleichsam hängengeblieben und zerrissen an der Spitze der Blitzableiter. Florent war traurig geworden durch den Matsch auf dem Pflaster, dieses Rieseln gelben Wassers, das die Dämmerung wegzuschwemmen und im Dreck auszulöschen schien. Er betrachtete die auf die Bürgersteige der überdachten Straßen geflüchteten Leute, die unter dem Platzregen dahinziehenden Regenschirme, die Droschken, die schneller und hallender mitten auf dem Fahrdamm vorüberfuhren. Es hellte sich etwas auf. Ein roter Schein stieg auf beim Sonnenuntergang. Da tauchte am Eingang der Rue Montmartre ein ganzes Heer von Straßenkehrern auf und trieb mit Besenstrichen einen See flüssigen Schlamms vor sich her.
    Logre brachte den Sergeanten nicht. Gavard war zum Abendessen zu Freunden nach Les Batignolles gegangen. Florent war deshalb darauf angewiesen, den Abend im Zwiegespräch mit Robine zu verbringen. Er sprach die ganze Zeit und wurde schließlich sehr traurig; der andere nickte sacht mit dem Bart und streckte lediglich alle Viertelstunden den Arm aus, um einen Schluck Bier zu trinken. Gelangweilt ging Florent hinauf schlafen. Robine jedoch, der allein geblieben war, ging nicht fort, und die Stirn nachdenklich unter dem Hut, betrachtete er seinen Schoppen. Rose und der Kellner, die darauf rechneten, früher schließen zu können, weil die übrige Gesellschaft des kleinen Gelasses nicht da war, mußten noch eine gute halbe Stunde warten, bis er abzuziehen beliebte.
    In seinem Zimmer hatte Florent Angst, sich ins Bett zu legen. Er war von einem nervösen Unbehagen befallen, das ihn manchmal ganze Nächte hindurch unter nicht endendem Alpdrücken hinhielt. Am Tage vorher hatte er in Clamart Herrn Verlaque mit zu Grabe getragen, der nach einem gräßlichen Todeskampf gestorben war. Er fühlte sich noch ganz traurig über den schmalen Sarg, der in die Erde heruntergelassen wurde. Vor allem konnte er Frau Verlaques Bild mit der weinerlichen Stimme und den tränenlosen Augen nicht verscheuchen. Sie ging ihm nach, sprach von dem Sarg, der nicht bezahlt war, und dem Trauergeleit, von dem sie nicht wußte, wie sie es bezahlen sollte, weil sie keinen Sou mehr besaß, denn am Tage vorher hatte der Apotheker den Betrag seiner Rechnung verlangt, als er vom Tode des Kranken erfuhr. Florent mußte ihr das Geld für den Sarg und das Trauergeleit vorstrecken; er gab sogar den Leichenträgern das Trinkgeld, Als er sich anschickte, aufzubrechen, sah ihn Frau Verlaque mit einem so herzzerreißenden Gesichtsausdruck an, daß er ihr zwanzig Francs daließ.
    Dieser Todesfall war ihm jetzt sehr hinderlich. Dadurch wurde seine Aufseherstellung wieder in Frage gestellt. Man würde ihn behelligen, daran denken, ihn zum Inhaber dieses Postens zu ernennen. Das waren ärgerliche Verwicklungen, die der Polizei einen Wink geben könnten. Am liebsten hätte er gewollt, daß die Aufstandsbewegung am nächsten Tage ausbreche, um seine betreßte Schirmmütze auf die Straße zu werfen. Den Kopf voll von diesen Besorgnissen, stieg er, die Stirn brennend und einen Lufthauch von der warmen Nacht verlangend, auf den Altan. Nach dem Platzregen hatte sich der Wind gelegt. Gewitterschwüle erfüllte noch immer den düsterblauen, wolkenlosen Himmel. Die wieder getrockneten Markthallen dehnten unter ihm ihre ungeheure zusammenhängende Masse von der Farbe des Himmels, von den grellen Gasflammen wie dieser mit gelben Sternen bestickt.
    Mit dem Ellbogen auf das eiserne Geländer gestützt, sann Florent darüber nach, daß er früher oder später gestraft werde, weil er eingewilligt hatte, diesen Aufseherposten anzunehmen. Das war wie ein Schandfleck in seinem Leben. Er hatte Gehalt von der Präfektur

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