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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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und der die toten hinbettenden andererseits.
    Indessen ging es allmählich schneller bei Marjolin, der sich an diesem Gemetzel erheiterte und mit leuchtenden Augen dahockte wie eine riesige, in Freude versetzte Dogge. Schließlich brach er in Lachen aus und sang: »Ticktack, Ticktack, Ticktack!«, begleitete den Takt des Messers mit einem Schnalzen der Zunge und machte einen Lärm wie eine Köpfe zermalmende Mühle. Die Tauben hingen wie seidene Wäsche herab.
    »Na, das macht dir Spaß, du großes Tier«, sagte Cadine, die ebenfalls lachte. »Sie sind schrullig, die Tauben, wenn sie den Kopf so einziehen zwischen die Schultern, damit man ihren Hals nicht findet … Gehen Sie mir, gutmütig sind sie nicht, diese Tiere. Die hacken einen, wenn sie können.« Und über Marjolins immer fieberhafter werdende Hast lachend, fügte sie hinzu: »Ich habe es versucht, aber so schnell bring ich es nicht zuwege wie er … Einmal hat er doch hundert Stück in zehn Minuten geschlachtet.«
    Der Holzrahmen füllte sich; es war zu hören, wie die Blutstropfen in den Kasten fielen. Da sah Claude, als er sich umdrehte, daß Florent ganz bleich geworden war, und er führte ihn schleunigst fort. Oben setzte er ihn auf eine Treppenstufe nieder.
    »Na, was denn!« sagte er und tätschelte Florent die Hände. »Sie werden ja ohnmächtig wie eine Frau.«
    »Das ist der Kellergeruch«, murmelte Florent ein bißchen beschämt.
    Diese Tauben, die Körner und Salzwasser schlucken mußten, die erschlagen und erwürgt wurden, hatten ihn an die Ringeltauben der Tuilerien erinnert, die mit ihren schillernden Atlasgewändern in dem von der Sonne gelben Gras herumspazierten. Er sah sie gurren auf dem Marmorarm des antiken Ringkämpfers in der großen Stille des Gartens, während unter dem schwarzen Schatten der Kastanienbäume die kleinen Mädchen Reifen spielten. Und als dieses große blonde Vieh tief in diesem Übelkeit erregenden Keller sein Gemetzel anrichtete, mit dem Griff zuschlug und mit der Spitze bohrte, war es ihm kalt in die Knochen gefahren; er hatte gefühlt, wie er umsank, wie ihm die Beine weich wurden, und wie seine Augenlider klappten.
    »Teufel!« meinte Claude, als sich Florent wieder erholt hatte. »Einen guten Soldaten würden Sie aber nicht abgeben … Na, die Sie nach Cayenne geschickt haben, müssen ja reizende Herren sein, daß sie vor Ihnen Angst haben. Aber, mein Lieber, wenn Sie sich jemals an einem Aufstand beteiligen wollten, würden Sie sich nicht trauen, einen Pistolenschuß abzufeuern; Sie hätten zuviel Angst, jemand zu töten.«
    Florent stand auf, ohne zu antworten. Er war sehr finster geworden. Runzeln der Verzweiflung zerschnitten ihm das Gesicht. Er ging davon und ließ Claude allein wieder in den Keller hinuntersteigen; und während er sich zum Fischmarkt begab, dachte er von neuem an den Angriffsplan, an die bewaffneten Scharen, die das Palais Bourbon einnehmen sollten. In den ChampsElysées grollten die Kanonen; die Gitter waren zertrümmert. Auf den Stufen war Blut, Gehirnspritzer an den Säulen. Es war eine plötzliche Vision der Schlacht. Er mitten drin, ganz bleich, vermochte nicht hinzusehen und verbarg das Gesicht zwischen den Händen.
    Als er die Rue du PontNeuf überquerte, glaubte er an der Ecke der Obsthalle das blasse Gesicht Augustes zu erkennen, der den Hals vorstreckte. Er spähte wohl nach jemand aus, die Augen groß und rund geworden von einer für einen Dummkopf außerordentlichen Erregung. Er verschwand jäh und eilte spornstreichs in die Fleischerei zurück.
    Was hat er bloß? dachte Florent. Mache ich ihm denn angst?
    An diesem Morgen hatten sich bei den QuenuGradelles schwerwiegende Dinge ereignet. Bei Tagesanbruch kam Auguste völlig verstört angelaufen und weckte die Meisterin, indem er ihr sagte, die Polizei komme, um Herrn Florent zu verhaften. Dann stammelte er noch mehr und erzählte ihr verwirrt, daß Florent fortgegangen sei und sich gerettet haben müsse. Ohne Korsett ging die schöne Lisa in der Nachtjacke, ohne sich um die Leute zu scheren, rasch in die Stube ihres Schwagers, wo sie die Fotografie der Normande an sich nahm, nachdem sie nachgesehen hatte, ob auch nichts sie gefährde. Sie ging wieder hinunter; da begegnete sie im zweiten Stock den Polizeibeamten. Der Kommissar ersuchte sie, sie zu begleiten. Während er sich mit seinen Leuten in der Stube Florents niederließ, sprach er einen Augenblick mit leiser Stimme auf sie ein und empfahl ihr, den Laden wie gewöhnlich zu

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