Der Bauch von Paris - 3
klingender Silbertaler zu entdecken. Lisa gab sich damit nicht beruhigt. Quenu sah, wie sie überlegte, vom Morgen bis zum Abend um sich blickte, als habe sie etwas verloren. Schließlich beschloß sie ein großes Reinemachen und gab vor, es werde geklatscht, die Geschichte vom Tode des Alten spreche sich herum und man müsse eine große Sauberkeit an den Tag legen. Als sie an einem Nachmittag seit zwei Stunden im Keller war, wo sie selber die Pökelfässer auswusch, kam sie, irgend etwas in ihrer Schürze haltend, wieder zum Vorschein. Quenu hackte gerade Schweineleber. Sie wartete, bis er fertig war, und plauderte mit ihm in gleichgültigem Ton. Aber ihre Augen hatten einen eigentümlichen Glanz. Sie lächelte ihr schönes Lächeln und sagte, sie wolle mit ihm sprechen. Sie stieg mühsam die Treppe hinauf, die Schenkel behindert durch das, was sie trug und ihre Schürze zum Zerreißen spannte. Im dritten Stock keuchte sie und mußte sich einen Augenblick auf das Geländer stützen. Verwundert folgte ihr Quenu, ohne ein Wort zu sagen, bis in ihre Kammer. Es war das erste Mal, daß sie ihn aufforderte, hereinzukommen. Sie schloß die Tür, und, die Schürzenzipfel loslassend, die ihre steif gewordenen Finger nicht mehr halten konnten, ließ sie einen Regen von Gold und Silberstücken sacht auf ihr Bett rollen. Sie hatte auf dem Boden eines Pökelfasses Onkel Gradelles Schatz gefunden. Der Haufen machte eine tiefe Kuhle in dieses zarte und weiche Jungmädchenbett.
Lisa und Quenu freuten sich andächtig gesammelt. Sie setzten sich zu beiden Seiten des Haufens auf den Bettrand, Lisa ans Kopfende, Quenu ans Fußende; und sie zählten das Geld auf der Bettdecke, um kein Geräusch zu verursachen. Es waren vierzigtausend Francs in Gold, dreitausend Francs in Silber und in einer Blechschachtel zweiundvierzigtausend Francs in Banknoten. Zwei gute Stunden brauchten sie, um das alles zusammenzurechnen. Quenus Hände zitterten ein wenig. Lisa verrichtete die Hauptarbeit. Die Goldstückstapel wurden auf dem Kopfkissen ordentlich aufgestellt, das Silber blieb in der Kuhle auf der Bettdecke. Als sich die für sie ungeheure Summe von fünfundachtzigtausend Francs ergeben hatte, begannen sie zu plaudern. Natürlich sprachen sie von der Zukunft, von ihrer Heirat, ohne daß jemals zwischen ihnen von Liebe die Rede gewesen wäre. Dieses Geld schien ihnen die Zunge zu lösen. Sie waren noch tiefer eingesunken, lehnten sich, die Beine ein wenig ausgestreckt, mit dem Rücken gegen die Alkovenwand unter dem weißen Musselinvorhang; und da beim Schwatzen ihre Hände im Gelde wühlten, begegneten sie sich darin und vergaßen sich eine in der anderen inmitten der Hundertsousstücke. Die Dämmerung überraschte sie. Nur Lisa errötete jetzt, sich neben dem jungen Burschen zu sehen. Sie hatten das Bett in Unordnung gebracht. Die Laken hingen herunter. Das Gold auf dem Kopfkissen zwischen ihnen bildete Vertiefungen, als hätten sich dort von Leidenschaft heiße Köpfe gewälzt.
Verlegen erhoben sie sich mit dem verwirrten Ausdruck zweier Liebenden, die soeben den ersten Fehltritt begangen haben. Dieses in Unordnung gebrachte Bett mit all dem Geld klagte sie einer verbotenen Freude an, die sie bei verschlossener Tür genossen hatten. Das war ihr Sündenfall. Lisa, die ihre Kleider wieder in Ordnung brachte, als habe sie das Schlimme getan, ging ihre zehntausend Francs holen. Quenu wollte, daß sie sie zu den fünfundachtzigtausend Francs des Onkels lege. Er mischte lachend die beiden Summen zusammen und sagte dabei, das Geld müsse sich auch verloben; und es wurde vereinbart, daß Lisa den »Schatz« in ihrer Kommode verwahren solle. Als sie ihn eingeschlossen und das Bett wieder gemacht hatte, gingen sie in aller Ruhe hinunter. Sie waren Mann und Frau.
Im folgenden Monat fand die Hochzeit statt. Das ganze Viertel fand das natürlich und vollkommen angebracht. Man kannte irgendwie die Geschichte mit dem Schatz, und Lisas Rechtschaffenheit war Gegenstand unendlichen Lobes; schließlich hätte sie ja Quenu überhaupt nichts zu sagen brauchen und das Geld für sich behalten können. Wenn sie gesprochen habe, so aus reiner Ehrbarkeit heraus, denn es hatte sie ja niemand gesehen. Sie verdiente durchaus, daß Quenu sie heiratete. Dieser Quenu hatte Glück: er war nicht schön und fand eine schöne Frau, die ihm ein Vermögen zutage förderte. Die Bewunderung ging so weit, daß schließlich getuschelt wurde: »Lisa war wirklich dumm, das zu tun, was
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