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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Frau Quenu. Sie habe eingewilligt, Augustine Landois herkommen zu lassen anstelle eines Ladenmädchens, das auf Abwege geraten war. Er verstehe jetzt sein Handwerk, während sie sich das Geschäftliche aneignete. In einem oder in anderthalb Jahren würden sie heiraten und ihre Fleischerei haben, höchstwahrscheinlich in Plaisance, in einer dichtbevölkerten Gegend von Paris. Sie hätten es mit dem Heiraten nicht so eilig, denn der Speck sei in diesem Jahr nicht viel wert. Er erzählte auch noch, daß sie sich auf einem Fest in SaintQuen hatten zusammen fotografieren lassen. Dann kam er mit in die Mansarde hinein, weil er sich das Bild wieder ansehen wollte, das sie geglaubt hatte, nicht vom Kamin wegnehmen zu dürfen, damit Frau Quenus Vetter ein hübsches Stübchen habe. Gedankenverloren stand er einen Augenblick da, bleich im gelben Schein seiner Kerze, betrachtete den noch ganz von der Gegenwart des jungen Mädchens erfüllten Raum, trat an das Bett und fragte Florent, ob er gut darin liege. Sie, Augustine, schlafe jetzt unten. Das sei besser für sie: die Mansarden seien im Winter sehr kalt. Endlich ging er und ließ Florent mit dem Bett und der Fotografie gegenüber allein. Auguste war wie Quenu, nur fahl, Augustine wie Lisa, nur unentwickelt.
    Florent, mit den Gehilfen gut Freund, von seinem Bruder verwöhnt und von Lisa hingenommen, langweilte sich schließlich schrecklich. Er hatte Möglichkeiten zum Stundengeben gesucht, ohne welche zu finden. Außerdem vermied er es, in das Viertel zu gehen, wo die Schulen lagen, weil er fürchtete, dort wiedererkannt zu werden. Lisa sagte ihm freundlich, er würde gut tun, sich an Geschäftshäuser zu wenden; er könne die Korrespondenz erledigen und die Bücher führen. Immer wieder kam sie auf diesen Gedanken zurück und erbot sich schließlich, für ihn eine Stellung ausfindig zu machen. Es brachte sie allmählich auf, daß er ihr unaufhörlich müßig im Wege stand und nicht wußte, was er tun sollte. Zuerst war es nur ein begründeter Widerwille gegen Menschen, die die Hände in den Schoß legen und nur essen, wobei sie noch nicht daran dachte, es ihm vorzuwerfen, daß er bei ihr aß.
    »Ich, ich könnte nicht so leben und den ganzen Tag dahinträumen«, meinte sie zu ihm. »Sie können ja am Abend keinen Hunger haben … Wissen Sie, Sie müssen sich müde machen.«
    Auch Gavard suchte eine Stelle für Florent. Aber er suchte auf eine ungewöhnliche und heimliche Art. Er hätte gern irgendeine aufregende Beschäftigung ausfindig gemacht oder wenigstens eine mit bitterer Ironie, die zu einem »Proskribierten« paßte. Gavard war ein Mann der Opposition. Er hatte soeben die Fünfzig überschritten und rühmte sich, bereits vier Regierungen seine Meinung gesagt zu haben. Über Karl X.19, die Priester, den Adel, dieses ganze Gesindel, das er zur Tür hinausgeworfen hatte, zuckte er nur die Achseln; LouisPhilippe20 mit seinen Bourgeois war ein Schwachkopf, und er erzählte die Geschichte von den wollenen Strümpfen, in denen der Bürgerkönig seine Zweisousstücke versteckte. Was die Republik von 1848 anbetraf, so sei sie eine Farce. Die Arbeiter hätten ihn enttäuscht! Aber er gab nicht mehr zu, daß er dem 2. Dezember21 Beifall geklatscht hatte, denn jetzt sah er in Napoleon III.22 seinen persönlichen Feind, einen Hundsfott, der sich mit Morny23 und den anderen einschloß, um große »Saufgelage« zu veranstalten. Über dieses Kapitel war er unerschöpflich; er dämpfte ein wenig die Stimme und versicherte, daß Abend für Abend in geschlossenen Kutschen Weiber in die Tuilerien24 gebracht würden und daß er, so wahr, wie er hier spreche, in einer Nacht vom Place du Carrousel aus den Lärm der Orgie gehört habe. Für Gavard war es geradezu eine Religion, der Regierung so unangenehm wie möglich zu sein. Er spielte ihr abscheuliche Streiche, über die er manchmal monatelang heimlich lachte. Zunächst stimmte er für den Kandidaten, der im Corps législatif25 »die Minister ärgern« sollte. Wenn er ferner die Staatskasse bestehlen, die Polizei aus der Fassung bringen, irgendeinen Krawall herbeiführen konnte, legte er es darauf an, die Begebenheit möglichst aufrührerisch zu gestalten. Er schwindelte außerdem, spielte sich als gefährlichen Mann auf, redete, als hätte die »Sippschaft in den Tuilerien« von ihm gewußt und vor ihm gezittert, meinte, »beim nächsten Putsch« müsse die eine Hälfte dieser Schurken geköpft und die andere deportiert werden. Seine

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