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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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nannte. Sie nahm die mit den Berechnungen bedeckte Seite und fuhr fort: »Ihr Onkel Gradelle ist gestorben, ohne ein Testament zu hinterlassen. Sie und Ihr Bruder waren die beiden einzigen Erben … Wir müssen Ihnen nun heute Ihren Anteil auszahlen.«
    »Aber ich verlange nichts«, rief Florent aus, »ich will nichts!«
    Quenu mußte wohl von den Absichten seiner Frau nichts bekannt sein. Er war ein wenig blaß geworden und sah sie unwillig an. Gewiß, er liebte seinen Bruder, aber es war nicht nötig, ihm so das Erbe des Onkels an den Kopf zu werfen. Später würde man sehen.
    »Ich weiß recht gut, mein lieber Florent«, begann Lisa wieder, »daß Sie nicht zurückgekommen sind, um von uns das zu fordern, was Ihnen gehört. Nur, Geschäft ist Geschäft; es ist besser, das sofort zu erledigen … Die Ersparnisse Ihres Onkels beliefen sich auf fünfundachtzigtausend Francs. Ich habe Ihnen daher zweiundvierzigtausendfünfhundert Francs zu Ihren Gunsten geschrieben. Hier stehen sie.« Sie zeigte ihm die Zahl auf dem Bogen Papier. »Es ist leider nicht ebenso einfach, den Wert des Ladens, der Einrichtung, der Waren und der Kundschaft abzuschätzen. Ich habe nur annähernde Summen einsetzen können, aber ich glaube, alles aufgeschrieben und reichlich bewertet zu haben … Ich bin auf eine Gesamtsumme von fünfzehntausenddreihundertzehn Francs gekommen, das macht für Sie siebentausendsechshundertfünfundfünfzig Francs oder alles zusammen fünfzigtausendeinhundertfünfundfünfzig Francs … Wollen Sie es bitte nachprüfen, nicht wahr?« Sie hatte die Zahlen klar und deutlich vorgelesen und reichte ihm das Blatt Papier, das er nehmen sollte.
    »Aber«, rief Quenu, »der Fleischerladen des Alten ist niemals fünfzehntausend Francs wert gewesen! Ich hätte keine zehntausend dafür gegeben!« Seine Frau brachte ihn schließlich auf. Soweit treibt man die Ehrbarkeit nun doch nicht. Hatte denn Florent von der Fleischerei gesprochen? Außerdem wollte er überhaupt nichts, wie er gesagt hatte.
    »Die Fleischerei besaß einen Wert von fünfzehntausenddreihundertzehn Francs«, wiederholte Lisa ruhig. »Sie verstehen, mein lieber Florent, wir brauchen da keinen Notar hinzuzuziehen. Es ist unsere Sache, diese Teilung vorzunehmen, da Sie wieder auferstanden sind … Seit Ihrer Ankunft habe ich notwendigerweise daran gedacht und während der Zeit, als Sie da oben im Fieber lagen, versucht, diese Inventur, so gut ich konnte, aufzustellen … Sehen Sie, alles ist einzeln angeführt. Ich habe auch unsere alten Bücher durchgesehen und meine Erinnerungen zu Rate gezogen. Lesen Sie laut vor, ich werde Ihnen alle Auskünfte geben, die Sie wünschen können.«
    Florent lächelte schließlich. Er war gerührt von dieser ungezwungenen und wie selbstverständlichen Rechtschaffenheit. Er legte das Blatt mit der Abrechnung auf die Knie der jungen Frau und faßte ihre Hand.
    »Meine liebe Lisa«, sagte er, »ich bin glücklich, zu sehen, daß euer Geschäft so gut geht, aber ich will euer Geld nicht. Die Erbschaft gehört meinem Bruder und Ihnen, die Sie den Onkel bis an sein Ende gepflegt haben … Ich brauche nichts und habe nicht die Absicht, euch in eurem Geschäft zu behindern.«
    Sie bestand darauf, wurde sogar ärgerlich, während Quenu kein Wort sagte, an sich hielt und sich in die Daumen biß.
    »Na«, begann wieder Florent lachend, »wenn Onkel Gradelle euch hören würde, wäre er imstande, euch das Geld wieder wegzunehmen … Onkel Gradelle hatte mich nicht gern.«
    »Na, was das anbetrifft, nein, er hatte dich nicht sehr gern«, murmelte Quenu am Ende seiner Kräfte.
    Lisa war jedoch noch immer nicht einverstanden. Sie meinte, sie wolle in ihrem Sekretär kein Geld haben, das ihr nicht gehöre, das rege sie auf, sie würde nicht ruhig leben bei dem Gedanken.
    Da bot ihr Florent, der fortfuhr zu scherzen, an, sein Geld bei ihr in der Fleischerei anzulegen. Übrigens weise er ihre Gefälligkeiten keineswegs zurück; er würde zweifellos nicht sofort Arbeit finden. Außerdem könne er sich ja kaum sehen lassen, er brauche einen vollständigen Anzug.
    »Aber ja!« rief Quenu, »du wirst bei uns schlafen, du wirst bei uns essen, und wir kaufen dir das Notwendige. Das ist abgemacht … Du weißt doch, daß wir dich nicht auf der Straße liegenlassen, zum Teufel!« Er war ganz gerührt; er schämte sich sogar ein wenig, befürchtet zu haben, auf einen Schlag eine große Summe hergeben zu müssen. Er fand ein paar Scherzworte und sagte zu

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