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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sich entschloß, seine Ware selber zu verkaufen, weil, wie er kindlich sagte, diese dummen Gänse den lieben langen Tag mit Klatschen verbrächten und er nicht zurechtkommen könne. Da aber jemand auf seinen Stand aufpassen mußte, wenn er abwesend war, hatte er Marjolin aufgelesen, der auf den Straßen herumbummelte, nachdem er alle kleinen Beschäftigungen in den Hallen versucht hatte. Manchmal blieb Florent eine ganze Stunde bei Gavard, aufs höchste verwundert von seinem unerschöpflichen Geklatsche, seiner Unverfrorenheit und seiner Ungezwungenheit unter all diesen Weibern, mit der er der einen das Wort abschnitt, sich mit einer anderen auf zehn Stände Entfernung herumstritt, einer dritten einen Kunden wegnahm und er allein mehr Krach machte als die über hundert schwatzenden Nachbarinnen, deren Geschrei die Eisenplatten der Halle erschütterte und sie wie ein Tamtam klingend erbeben ließen.
    Die ganze Verwandtschaft des Geflügelhändlers bestand nur noch aus einer Schwägerin und einer Nichte. Als seine Frau starb, beweinte ihre ältere Schwester, Frau Lecœur, die seit einem Jahr Witwe war, sie in übertriebener Weise und kam fast jeden Abend den unglücklichen Gatten trösten. Sie mußte wohl damals die Absicht hegen, ihm zu gefallen und den noch warmen Platz der Verstorbenen einzunehmen. Aber Gavard konnte hagere Frauen nicht ausstehen; er sagte, es täte ihm weh, die Knochen unter der Haut zu fühlen. Er streichelte nur sehr fette Katzen und Hunde und genoß ein persönliches Behagen an den runden und wohlgenährten Rücken. Frau Lecœur, die gekränkt und wütend war, zu sehen, daß ihr die Hundertsousstücke des Bratkochs entgingen, speicherte tödlichen Groll in sich auf. Ihr Schwager wurde ihr Feind, mit dem sie sich alle Stunden beschäftigte. Als sie sah, daß er sich in den Markthallen niederließ, zwei Schritt von der Halle entfernt, wo sie Butter, Käse und Eier verkaufte, beschuldigte sie ihn, er habe das ausgeheckt, um sie zu ärgern und ihr Unglück zu bringen. Seitdem jammerte sie, wurde noch gelber, brachte sich so um den Verstand, daß sie schließlich tatsächlich ihre Kundschaft einbüßte und schlechte Geschäfte machte. Sie hatte lange Zeit die Tochter einer ihrer Schwestern bei sich gehabt, einer Bäuerin, die ihr die Kleine geschickt und sich nicht weiter um sie gekümmert hatte. Das Kind wuchs in den Markthallen auf. Da sie mit Familiennamen Sarriet hieß, nannte man sie bald kurzweg die Sarriette. Mit sechzehn Jahren war sie ein so ausgekochtes Ding, daß Herren ihren Käse einzig, um sie zu sehen, kaufen kamen. Dabei machte sie sich nichts aus den Herren; mit ihrem blassen Gesicht einer dunklen Madonna und ihren Augen, die wie glühende Scheite brannten, war sie mehr für die unteren Schichten. Einen Lastträger erkor sie sich, einen Burschen aus Ménilmontant, der für ihre Tante Besorgungen erledigte. Als sie sich mit zwanzig Jahren mit Vorschüssen, deren Herkunft man niemals richtig erfuhr, als Obsthändlerin selbständig machte, begann ihr Liebhaber, den man Herr Jules nannte, seine Hände zu pflegen, nur noch saubere Kittel und eine Samtmütze zu tragen und erst am Nachmittag in Pantoffeln in die Hallen zu kommen. Sie wohnten zusammen in der Rue Vauvilliers im dritten Stock eines großen Hauses, dessen Erdgeschoß ein düsteres Café einnahm. Die Undankbarkeit der Sarriette verbitterte Frau Lecœur vollends, die sie mit einer Flut zotigster Ausdrücke belegte. Sie überwarfen sich miteinander, die Tante war außer sich, und die Nichte erfand mit Herrn Jules allerhand Geschichten, die er in der Butterhalle erzählen ging. Gavard fand die Sarriette spaßig; er zeigte sich ihr gegenüber voller Nachsicht und tätschelte ihr die Wangen, wenn er sie traf, denn sie war mollig und köstlich im Fleisch.
    Eines Nachmittags, als Florent, erschöpft von den vergeblichen Laufereien, die er am Morgen auf der Stellungssuche gemacht hatte, in der Fleischerei saß, kam Marjolin herein. Dieser große Bursche mit seiner flämischen Schwerfälligkeit und Gutmütigkeit war Lisas Schützling. Sie sagte, er sei nicht schlecht, ein bißchen dumm, stark wie ein Pferd, durchaus interessant übrigens, da man weder seinen Vater noch seine Mutter kenne. Sie war es auch, die ihn bei Gavard untergebracht hatte.
    Lisa saß am Ladentisch, ärgerlich über Florents schmutzige Stiefel, die auf den weißen und rosa Fliesen Flecke hinterließen. Schon zweimal war sie aufgestanden, um Sägemehl in den Laden zu

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