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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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die Blässe der durchscheinenden Fette wieder auflebten. Eingeschüchtert, je länger er sie ansah, beunruhigt durch diese untadelige Selbstsicherheit, musterte Florent sie schließlich verstohlen in den Spiegeln rings im Laden. Sie wurde darin von hinten, von vorn und von der Seite widergespiegelt; sogar an der Decke fand er sie wieder, den Kopf nach unten, mit ihrem festen Haarknoten und ihren schmalen, an den Schläfen wie angeklebten Strähnen. Das waren unzählige Lisas, die die Breite der Schultern, den gewaltigen Ansatz der Arme zeigten und die wohlgerundete Brust, die so stumm und straff war, daß sie keinerlei fleischliche Gedanken erweckte und einem Bauch ähnelte. Er verweilte und fand Gefallen besonders bei einem ihrer Profile, das er neben sich in einem Spiegel zwischen zwei halben Schweinen sah. Längs der Marmorplatten und der Spiegel hingen an Stangen mit Wolfszähnen Schweine und Speckseiten zum Spicken; und Lisas Profil mit seinem starken Hals, seinen runden Linien, dem vorstehenden Busen stand wie das Bildnis einer genudelten Königin inmitten dieses Specks und dieses rohen Fleischs. Dann neigte sich die schöne Fleischersfrau vor und lächelte freundlich den beiden Goldfischen zu, die in dem Aquarium in der Auslage unaufhörlich herumschwammen.
    Gavard trat ein. Mit wichtigtuerischem Gesicht ging er Quenu aus der Küche holen. Als er sich schräg auf einen kleinen Marmortisch gesetzt hatte, während Florent auf seinem Stuhl und Lisa hinter ihrem Ladentisch blieb und sich Quenu mit dem Rücken gegen ein halbes Schwein lehnte, verkündete er schließlich, daß er für Florent eine Stelle gefunden habe, und es sei zum Lachen, der Regierung werde ein hübsches Schnippchen geschlagen!
    Aber er unterbrach sich plötzlich, als er Fräulein Saget eintreten sah, die die Ladentür aufstieß, nachdem sie vom Fahrdamm aus die zahlreiche Gesellschaft bemerkt hatte, die bei den QuenuGradelles schwatzte. Die kleine Alte im verschossenen Kleid, den schwarzen Handkorb, von dem sie nicht zu trennen war, am Arm, auf dem Kopf den bänderlosen schwarzen Strohhut, der ihr weißes Gesicht tief in tückisches Dunkel tauchte, hatte einen leichten Gruß für die Männer und ein spitzes Lächeln für Lisa. Sie war eine Bekannte und wohnte noch in dem Hause in der Rue Pirouette, in dem sie seit vierzig Jahren zweifellos von einer kleinen Rente lebte, über die sie nicht sprach. Eines Tages hatte sie jedoch Cherbourg erwähnt und hinzugefügt, daß sie dort geboren sei. Niemals erfuhr man mehr darüber. Sie redete nur über andere, erzählte von deren Leben, nannte sogar die Anzahl der Hemden, die sie im Monat waschen ließen, und trieb ihr Bedürfnis, in das Dasein der Nachbarn einzudringen, so weit, daß sie an den Türen horchte und Briefe erbrach. Von der Rue SaintDenis bis zur Rue JeanJacques Rousseau und von der Rue Saint Honoré bis zur Rue Mauconseil war ihre Zunge gefürchtet. Während des ganzen Tages streifte sie mit ihrem leeren Handkorb herum unter dem Vorwand, Besorgungen zu machen, kaufte nichts, tratschte Neuigkeiten aus, hielt sich über die unbedeutendsten Ereignisse auf dem laufenden und erreichte auf diese Weise, in ihrem Kopf die vollständige Geschichte aller Häuser, aller Wohnungen und aller Menschen des Viertels unterzubringen. Quenu hatte sie immer beschuldigt, es unter die Leute gebracht zu haben, daß Onkel Gradelle auf dem Hacktisch gestorben sei; seitdem grollte er ihr. Sie wußte übrigens über Onkel Gradelle und die Quenus sehr gut Bescheid; sie beschrieb sie in allen Einzelheiten, nahm sie an allen Enden vor, kannte sie »auswendig«. Aber seit vierzehn Tagen brachte Florents Ankunft sie durcheinander, verbrannte sie mit einem wahren Neugierfieber. Sie wurde krank, wenn irgendeine unvorhergesehene Lücke in ihren Registrierungen entstand. Und dabei hätte sie schwören können, diesen langen Kerl schon irgendwo einmal gesehen zu haben.
    Sie blieb vor dem Ladentisch stehen, betrachtete die Platten eine nach der andern und sagte mit ihrer piepsigen Stimme:
    »Man weiß nicht mehr, was man essen soll. Wenn es Nachmittag wird, fühle ich mich wegen des Essens wie eine arme Seele im Fegefeuer … Dann habe ich wieder auf nichts Appetit … Haben Sie wohl noch panierte Koteletts, Madame Quenu?« Ohne die Antwort abzuwarten, hob sie einen Deckel des neusilbernen Würstchenkessels hoch. Es war die Seite mit den Leberwürsten, den Würstchen und den Blutwürsten. Die Wärmpfanne war kalt, und auf dem

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