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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Leberkrankheit, zu der ihre neidischen Gallensäfte den Keim in sich trugen. Sie wandte sich zum Ladentisch zurück und verfolgte jede Handbewegung der sie bedienenden Lisa mit dem mißtrauischen Auge einer Kundin, die überzeugt ist, daß man sie bestehlen will.
    »Geben Sie mir keine Zervelatwurst«, sagte sie. »Aus der mache ich mir nichts.«
    Lisa hatte ein schmales Messer genommen und schnitt Wurstscheiben ab. Dann ging sie zum geräucherten Schinken und zum gekochten und trennte, ein wenig vorgebeugt, die Augen auf das Messer gerichtet, dünne Scheiben ab. Ihre molligen, lebhaft rosigen Hände, die das Fleisch mit weicher Anmut berührten, behielten davon eine Art fettiger Geschmeidigkeit in den an den Gelenken bauchigen Fingern zurück. Sie schob eine Schüssel vor und fragte:
    »Sie wollen doch auch gespickten Kalbsbraten, nicht wahr?«
    Frau Lecœur schien lange zu überlegen; dann bejahte sie.
    Die Fleischersfrau schnitt nun vom Inhalt der Schüsseln ab. Auf das Ende eines Messers mit breiter Klinge nahm sie Scheiben gespickten Kalbsbraten und Hasenpastete und legte jede Scheibe in die Mitte des Papierbogens auf der Waagschale.
    »Geben Sie mir denn keinen Wildschweinskopf mit Pistazien?« bemerkte Frau Lecœur mit ihrer boshaften Stimme. Lisa mußte Wildschweinskopf mit Pistazien dazulegen. Aber die Butterhändlerin wurde anspruchsvoll. Sie wollte zwei Scheiben Sülze; die mochte sie gern. Lisa, die bereits ärgerlich geworden war und ungeduldig mit dem Griff des Messers spielte, sagte vergeblich, daß die Sülze getrüffelt sei und sie davon nur zum Aufschnitt zu drei Francs das Pfund geben könne. Die andere fuhr fort, in den Platten herumzuschnüffeln und nach dem, was sie noch verlangen wollte, zu suchen. Als der Aufschnitt abgewogen war, mußte die Fleischersfrau noch Gelee und Pfeffergurken hinzutun. Der Berg Gelee, der die Form eines Napfkuchens hatte und mitten auf einer Porzellanplatte lag, zitterte unter der vor Wut brutalen Hand Lisas, und als sie mit den Fingerspitzen zwei große Pfeffergurken aus dem Topf hinter dem Würstchenkessel nahm, verspritzte sie den Essig.
    »Das macht fünfundzwanzig Sous, nicht wahr?« fragte Frau Lecœur, ohne sich zu beeilen. Sie sah Lisas dumpfe Erregung ganz genau. Sie kostete sie aus und zog langsam ihr Geld heraus, gleichsam verloren unter den Zweisousstücken in ihrer Tasche. Dabei betrachtete sie heimlich Gavard, weidete sich an dem verlegenen Schweigen, das ihre Anwesenheit in die Länge zog, schwor sich, nicht zu gehen, weil man »Geheimniskrämereien« vor ihr machte. Aber die Fleischersfrau drückte ihr schließlich ihr Paket in die Hand, und sie mußte sich schon zurückziehen.
    Frau Lecœur entfernte sich ohne ein weiteres Wort, nur mit einem langen Blick, den sie durch den ganzen Laden schweifen ließ.
    Als sie nicht mehr da war, platzte Lisa los:
    »Das ist wieder die Saget, die uns die da geschickt hat! Will die alte Herumtreiberin denn die ganzen Markthallen hier vorbeiziehen lassen, um herauszubekommen, wovon wir sprechen! – Und wie ausgekocht sie sind! Hat man jemals gesehen, daß jemand abends um fünf Uhr panierte Koteletts und gemischten Aufschnitt kauft! Sie wollen sich lieber den Magen verderben, als etwas nicht zu erfahren … Wahrhaftig, wenn mir die Saget noch eine herschickt, sollt ihr einmal sehen, wie ich sie empfange! Und wenn es meine eigene Schwester wäre, würde ich sie vor die Tür setzen!«
    Angesichts von Lisas Zorn schwiegen die drei Männer. Gavard stützte sich mit den Ellbogen auf die Schaufensterbrüstung mit dem Kupfergeländer; er war in Gedanken versunken und drehte an einer Docke aus geschliffenem Kristall, die sich aus ihrer Messingleiste gelöst hatte. Dann hob er den Kopf und meinte:
    »Ich für meinen Teil hatte das als einen hübschen Streich aufgefaßt.«
    »Was denn?« fragte Lisa, immer noch ganz aufgebracht.
    »Den Aufseherposten in der Seefischhalle.«
    Sie hob die Hände, sah noch einmal Florent an, setzte sich auf das gepolsterte Bänkchen hinter dem Ladentisch und tat den Mund nicht mehr auf.
    Gavard erläuterte lang und breit seine Auffassung: Wer am meisten dabei reingelegt werde, das sei doch schließlich der Staat, der seine Taler hergäbe. Mehrmals sagte er selbstgefällig: »Mein Lieber, diese Strolche da haben Sie vor Hunger verrecken lassen, nicht wahr? Also müssen Sie sich jetzt von Ihnen ernähren lassen … Das ist doch toll, das hat mich sofort bestochen.«
    Florent lächelte und sagte

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