Der Bauch von Paris - 3
mit einem Buchsbaumspatel das Schmalz aus dem Topf unter der Etagere, erhöhte mit zarter Hand in kleinen Klecksen den Fetthaufen, der sich ein wenig verbreitete. Als die Waagschale heruntersank, nahm sie das Papier in die Hand, faltete es zusammen und drückte kräftig mit den Fingerspitzen die Ecken ein.
»Vierundzwanzig Sous hierfür«, sagte sie, »und sechs Sous die Speckscheiben, das macht zusammen dreißig Sous … Sonst brauchen Sie nichts weiter?«
Die Sarriette verneinte. Sie bezahlte, immer noch lachend, ihre Zähne zeigend und den Männern ins Gesicht schauend, während sie dastand mit ihrem grauen verdrehten Rock und ihrem roten, schlecht festgesteckten Brusttuch, das in der Mitte die weiße Linie ihres Busens sehen ließ. Bevor sie hinausging, drohte sie Gavard und wiederholte:
»Also Sie wollen mir nicht sagen, was sie erzählt haben, als ich hereinkam? Ich habe Sie von der Mitte der Straße aus lachen sehen … Oh, so ein Heimlichtuer. Ich mag Sie gar nicht mehr.« Sie ging aus dem Laden und überquerte eilig die Straße.
Die schöne Lisa meinte trocken:
»Die hat uns Mademoiselle Saget hergeschickt.«
Dann dauerte das Schweigen weiter. Gavard war bestürzt darüber, wie Florent seinen Vorschlag aufgenommen hatte.
Als erste ergriff die Fleischersfrau mit sehr freundlicher Stimme wieder das Wort:
»Sie tun unrecht, Florent, diese Stellung als Seefischhallenaufseher auszuschlagen … Sie wissen, wie mühselig es ist, eine Beschäftigung zu finden. Und Sie sind in einer Lage, in der Sie nicht wählerisch sein sollten.«
»Ich habe doch meine Gründe gesagt«, erwiderte er.
Sie zuckte die Achseln.
»Schauen Sie mal, das ist doch kein ernsthafter Einwand … Ich verstehe allenfalls, daß Sie die Regierung nicht mögen. Aber das hindert einen doch nicht, sein Brot zu verdienen; das wäre doch zu töricht … Und dann, mein Lieber, der Kaiser ist doch kein schlechter Mensch! Ich lasse es gelten, wenn Sie von Ihrem Leiden erzählen. Bloß, hat er denn davon gewußt, wenn Sie verschimmeltes Brot und verdorbenes Fleisch zu essen bekamen? Er kann nicht überall sein, der Mann … Sie sehen, uns hat er doch auch nicht gehindert, unseren Geschäften nachzugehen … Sie sind nicht gerecht, nein, ganz und gar nicht gerecht.«
Gavard wurde es immer unbehaglicher. Er konnte in seiner Gegenwart solche Lobeshymnen auf den Kaiser nicht ausstehen.
»Oh, nein, nein, Madame Quenu«, brummte er, »Sie gehen zu weit, das dürfen Sie nicht sagen. Das ist alles ein Pack …«
»Oh! Sie«, unterbrach ihn die schöne Lisa, sich ereifernd, »Sie werden nicht eher zufrieden sein, als bis Sie sich mit Ihren Geschichten um Kopf und Kragen gebracht haben. Reden wir nicht von Politik, das bringt mich in Wut … Es handelt sich lediglich um Florent, nicht wahr? Nun, ich meine, daß er unbedingt diesen Aufseherposten annehmen soll. Ist das nicht deine Meinung auch, Quenu?«
Quenu, der kein Sterbenswörtchen sagte, war diese unvermittelte Frage seiner Frau sehr unangenehm.
»Das ist ein guter Posten«, erwiderte er, ohne sich etwas zu vergeben.
Und als erneut verlegenes Schweigen eintrat, sagte Florent:
»Ich bitte euch, lassen wir das. Mein Entschluß steht fest. Ich werde warten.«
»Sie werden warten!« rief Lisa, die die Geduld verlor. Zwei rote Flammen waren ihr in die Wangen gestiegen. Mit breiten Hüften stand sie festgewurzelt da in ihrer weißen Schürze und mußte sich beherrschen, um nicht ausfallend zu werden.
Wieder kam jemand herein, der ihren Zorn ablenkte. Es war Frau Lecœur.
»Könnten Sie mir ein halbes Pfund gemischten Aufschnitt geben, zu fünfzig Sous das Pfund?« fragte sie.
Zuerst tat sie, als sehe sie ihren Schwager nicht; dann begrüßte sie ihn, ohne ein Wort zu sagen, mit einem Kopfnicken. Sie musterte die drei Männer vom Kopf bis zu den Füßen und hoffte zweifellos, ihrem Geheimnis auf Grund der Art und Weise, wie sie auf ihr Fortgehen warteten, auf die Spur zu kommen. Sie fühlte, daß sie sie störte; das machte sie in ihren glatt herunterfallenden Röcken, mit ihren langen Spinnenarmen, ihren verschlungenen Händen, die sie unter der Schürze hielt, noch eckiger und säuerlicher. Als sie ein wenig hustete, fragte Gavard, den das Schweigen bedrückte:
»Sind Sie erkältet?«
Sie antwortete mit einem recht trockenen Nein. An den Stellen, wo die Knochen ihr Gesicht durchstachen, war die gespannte Haut ziegelrot, und die dumpfe Flamme, die ihre Lider versengte, kündete von irgendeiner
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