Der Bauch von Paris - 3
Abdeckerbottiche, in denen das schlechte Schmer eines ganzen Volkes zerschmolz.
Außerdem litt er unter seiner groben Umgebung, deren Worte und Gebärden etwas von diesem Geruch angenommen zu haben schienen. Dennoch war er gutwillig und regte sich kaum auf. Nur die Frauen waren ihm lästig. Allein bei Frau François, die er wieder getroffen hatte, fühlte er sich wohl. Sie bezeigte eine so schöne Freude, ihn untergekommen, glücklich und aus der Patsche gezogen zu sehen, wie sie sich ausdrückte, daß er ganz gerührt darüber war. Lisa, die Normande und die anderen beängstigten ihn mit ihrem Lachen. Ihr hätte er alles erzählt. Sie lachte nicht, um sich lustig zu machen; sie hatte das Lachen einer Frau, die die Freude anderer beglückt. Sie war eine tapfere Frau, die einen schweren Beruf ausübte, im Winter an Tagen mit Frost; die Regenzeiten waren noch beschwerlicher. Manchmal sah Florent sie morgens bei fürchterlichen Wolkenbrüchen, bei Regen, der kalt und langsam seit dem Abend fiel. Die Wagenräder waren auf der Straße von Nanterre nach Paris bis zu den Naben im Schlamm eingesunken. Balthasar war bis zum Bauch mit Kot bespritzt. Er tat ihr leid, und sie erbarmte sich, ihn mit alten Schürzen abzutrocknen. »So ein Tier ist zu empfindlich«, meinte sie. »Wegen nichts kriegt es Koliken … Ach, mein armer alter Balthasar! Als wir über die Pont de Neuilly kamen, habe ich geglaubt, wir seien in die Seine geraten, so sehr regnete es.«
Balthasar trottete in die Wirtschaft. Sie blieb draußen im Wolkenbruch, um ihr Gemüse zu verkaufen. Das Straßenpflaster verwandelte sich in einen Tümpel mit flüssigem Schlamm. Die Kohlköpfe, die Möhren, die Rüben, auf die das graue Wasser prasselte, versanken im Fließen des reißenden Schmutzstroms, der sich in der vollen Breite des Fahrdamms entlangwälzte. Das war nicht mehr das prachtvolle Grün der hellen Vormittage. Die Gemüsebauern wölbten den Rücken tief in ihren groben Mänteln und fluchten auf die Verwaltung, die nach Untersuchung erklärt hatte, daß der Regen dem Gemüse nicht schade und keine Veranlassung bestehe, Schutzdächer zu errichten.
Die Regentage brachten Florent also zur Verzweiflung. Er dachte an Frau François. Er stahl sich davon und ging einen Augenblick mit ihr plaudern. Aber er fand sie niemals bekümmert. Sie schüttelte sich wie ein Pudel und sagte, sie habe noch ganz anderes erlebt, sie sei nicht aus Zucker, daß sie bei den ersten Wassertropfen gleich zerfließe. Er nötigte sie, für ein paar Minuten unter eine überdachte Straße zu treten. Manchmal brachte er sie sogar zu Herrn Lebigre, wo sie ein Glas Glühwein tranken. Während sie ihn mit ihrem ruhigen Gesicht freundschaftlich betrachtete, war er ganz glücklich über diesen gesunden Geruch der Felder, den sie ihm mitbrachte in den schlechten Atem der Hallen. Sie roch nach Erde, nach Heu, nach weiter Luft und weitem Himmel.
»Sie müssen einmal nach Nanterre kommen, mein Junge«, sagte sie. »Sie können sich meinen Gemüsegarten ansehen. Ich habe überall Thymianeinfassungen angelegt … Das stinkt in Ihrem lumpigen Paris.« Und triefend ging sie davon.
Florent war ganz erfrischt, wenn er sie verließ. Er versuchte es auch, mit Arbeit seine nervösen Angstzustände zu bekämpfen. Sein methodischer Geist trieb manchmal die genaue Einteilung seiner Stunden bis zur Manie. An zwei Abenden in der Woche schloß er sich ein, um ein großes Werk über Cayenne zu schreiben. Sein Kostgängerstübchen sei ausgezeichnet, sagte er sich, um seinen Geist zu beruhigen und zur Arbeit anzuregen. Er machte sich Feuer und sah nach, ob es dem Granatapfelbäumchen am Fußende seines Bettes auch gut gehe. Dann rückte er sich den kleinen Tisch heran und blieb bis Mitternacht bei der Arbeit. Sowohl das Gebetbuch als auch den »Traumschlüssel« hatte er ganz hinten in die Schublade geschoben, die sich nach und nach mit Aufzeichnungen, losen Blättern und Manuskriptseiten aller Art füllte. Das Werk über Cayenne kam kaum voran, weil es von anderen Vorhaben unterbrochen wurde, von Plänen zu riesenhaften Arbeiten, deren Skizze er in einigen Zeilen rasch aufzeichnete. Nacheinander entwarf er eine vollständige Reform des Verwaltungssystems der Markthallen, eine Umwandlung der Akzisen in Steuern auf Geschäftsabschlüsse, eine Neuaufteilung der Versorgung der Armenviertel, schließlich ein noch sehr verworrenes Sozialgesetz, das alle Anlieferungen erfassen und jedem Pariser Haushalt jeden Tag eine
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