Der Bauch von Paris - 3
Wasserleitungen ergriffen wurde. Das Eis war geschmolzen, das Wetter war lau. Er sorgte dafür, daß das Schottenjäckchen ein Bad nahm, indem er das Wasser aus dem ganz aufgedrehten Hahn vom Ellbogen bis auf seine Hand laufen ließ, was er »Dachrinne spielen« nannte. Seine Mutter erwischte ihn, als er mit zwei anderen Schlingeln zusah, wie zwei Weißfischchen, die er Tante Claire gestohlen hatte, in dem mit Wasser gefüllten Samtbarett herumschwammen.
Florent lebte beinahe acht Monate in den Hallen, wie von einem fortwährenden Schlafbedürfnis befallen. Nach seinen sieben Leidensjahren war er in eine solche Ruhe, in ein so gut geregeltes Leben geraten, daß er kaum sein Dasein spürte. Er gab sich dem hin, etwas leer im Kopf und ständig aufs neue überrascht, sich jeden Morgen in demselben Sessel in dem engen Bureau wiederzufinden. Dieser Raum mit seiner Nacktheit, seiner Winzigkeit einer Kabine gefiel ihm. Dorthin flüchtete er sich und war fern von der Welt mitten im unaufhörlichen Brausen der Hallen, das ihn von irgendeinem großen Meer träumen ließ, dessen weite Fläche ihn überall umgab und von allem abschloß. Aber nach und nach brachte ihn eine dumpfe Unruhe zur Verzweiflung; er war unzufrieden, warf sich nicht näher bezeichnete Fehler vor, lehnte sich auf gegen die Leere, die ihm immer mehr seinen Kopf und seine Brust auszuhöhlen schien. Dann strich stinkender Hauch, Ausdünstungen von verdorbenem Seefisch, mit starkem Brechreiz über ihn dahin. Es war eine langsame Zerrüttung, ein unbestimmter Überdruß, der in eine heftige Überreizung der Nerven umschlug.
Alle seine Tage glichen einander. Er schritt dahin unter den gleichen Geräuschen, den gleichen Gerüchen. Morgens betäubte ihn das Brausen der Auktionen mit fernem Glockengeläut, und wenn die Anlieferungen langsam eintrafen, hörten die Auktionen erst sehr spät auf. Dann blieb er bis Mittag in der Halle und wurde alle Augenblicke gestört durch Streitigkeiten und Zänkereien, bei denen er sich bemühte, so gerecht wie möglich zu sein. Manchmal dauerte es Stunden, um mit irgendeiner elenden Geschichte fertig zu werden, die den ganzen Markt in Aufruhr brachte. Er ging in dem Gewühl und dem Getöse des Verkaufs auf und ab, schritt langsam die Gänge entlang, blieb mitunter bei den Fischweibern stehen, deren Stände die Rue Rambuteau säumten. Sie hatten große rosige Haufen Krabben und Körbe, die rot waren von zusammengebundenen gekochten Langusten mit gekrümmten Schwänzen, während lebende, platt auf den Marmortisch gelegte Langusten verendeten. Da sah er Herren mit Hut und schwarzen Handschuhen feilschen und schließlich eine gekochte Languste, in eine Zeitung gewickelt, in der Tasche ihres Überziehers mitnehmen. Weiter weg erkannte er vor den lose aufgestellten Tischen, an denen gewöhnliche Fische verkauft wurden, Frauen aus dem Viertel, die ohne Hut und immer zur gleichen Stunde kamen. Manchmal erweckte irgendeine gutgekleidete Dame, die ihre Spitzen über die feuchten Steine schleifen ließ und der ein Dienstmädchen mit weißer Schürze folgte, seine Aufmerksamkeit. Er begleitete sie in einigem Abstand und sah, wie man hinter ihren angewiderten Mienen die Achseln zuckte. Dieses Tohuwabohu von Einkaufskörben, Ledertaschen und Tragkörben jeder Art, alle diese durch das Geriesel der Gänge ziehenden Röcke beschäftigten ihn und hielten ihn bis Mittag hin, und er freute sich über das fließende Wasser und die wehende Frische, während er vom herben Seegeruch der Muscheln in den bitteren Dunst des Salzfisches hinüberging. Hier beim Salzfisch pflegte er stets seine Inspektion zu beenden. Die Kisten mit Bücklingen, die auf Blättern gebetteten Sardinen aus Nantes, der zusammengerollte Kabeljau, alles vor dicken, abgeschmackten Händlerinnen ausgebreitet, ließen an Abreise denken, an Seefahrt inmitten von Fässern mit Eingesalzenem. Am Nachmittag wurden die Markthallen dann ruhiger und schliefen ein. Er verschloß sich in sein Bureau, schrieb seine Aufzeichnungen ins reine und genoß seine besten Stunden. Wenn er hinausging und den Fischmarkt überquerte, fand er ihn fast ausgestorben. Da war kein Quetschen, kein Gedränge und kein Getöse mehr wie um zehn Uhr. Die Fischweiber saßen zurückgelehnt und strickend hinter ihren leeren Tischen; und die wenigen verspäteten Hausfrauen gingen umher, sahen zur Seite mit jenem langsamen Blick, jenen zusammengekniffenen Lippen von Frauen, die die Kosten der Hauptmahlzeit auf einen Sou
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