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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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immer schlimmer. Er brachte Unannehmlichkeiten, Ärger und Wirren in diese Welt, die bis dahin in so fettem Frieden gelebt hatte. Die schöne Normande hätte ihn am liebsten gekratzt, wenn er zu lange bei den Quenus verweilte; viel war es die Hitze des Kampfes, die sie dazu trieb, diesen Menschen zu begehren. Die schöne Lisa bewahrte die Haltung eines Richters angesichts des schlechten Benehmens ihres Schwagers, dessen Verkehr mit den beiden Méhudins im Viertel Ärgernis erregte. Sie war schrecklich erbost, aber sie bemühte sich, ihre Eifersucht nicht zu zeigen, eine eigenartige Eifersucht, die sie trotz ihrer Verachtung Florents und trotz ihrer Zurückhaltung als ehrbare Frau jedesmal außer sich brachte, wenn er die Fleischerei verließ, um in die Rue Pirouette zu gehen, und sie sich die verbotenen Freuden vorstellte, die er dort wohl genoß.
    Das Essen abends bei den Quenus wurde weniger herzlich. Die Reinlichkeit des Eßzimmers nahm einen scharfen und schneidenden Charakter an. Florent spürte einen Vorwurf, eine Art Verdammung in dem hellen Eichenholz, in der zu sauberen Lampe, in der zu neuen Matte. Er wagte nicht mehr zu essen aus Angst, Brotkrümel fallen zu lassen oder seinen Teller schmutzig zu machen. Dabei fiel ihm in seiner schönen Einfalt nichts auf. Überall rühmte er Lisas Freundlichkeit. Sie blieb in der Tat weiterhin sehr freundlich. Mit einem gleichsam scherzhaften Lächeln meinte sie zu ihm:
    »Es ist sonderbar, Sie essen doch jetzt nicht schlecht, und trotzdem setzen Sie kein Fett an … Das schlägt wohl bei Ihnen nicht an.«
    Quenu lachte laut auf, schlug seinem Bruder auf den Bauch und behauptete, der ganze Fleischerladen könne da durchgehen, ohne auch nur wie ein Zweisousstück dickes Fett zurückzulassen. Aber in Lisas Beharrlichkeit lag dieser Haß, dieses Mißtrauen vor den Mageren, das Mutter Méhudin rücksichtsloser an den Tag legte; es lag darin auch eine versteckte Anspielung auf das ausschweifende Leben, das Florent führte. Übrigens sprach sie niemals in seiner Gegenwart von der schönen Normande. Als Quenu eines Abends einen Scherz gemacht hatte, war sie so eisig geworden, daß der biedere Mann nicht wieder anfing. Nach dem Nachtisch blieben sie noch eine Weile zusammen. Florent, der bemerkt hatte, daß es seine Schwägerin verstimmte, wenn er zu schnell nach dem Essen aufbrach, suchte nach einem Gesprächsstoff. Sie saß ganz dicht neben ihm. Er fand sie nicht heißblütig und lebhaft wie die Fischhändlerin; sie hatte auch nicht den würzigen und strengen, nicht mehr ganz frischen Seefischgeruch; sie roch nach Fett, nach der Fadheit guten Fleisches. Kein Schauer rief auch nur ein Fältchen auf ihrem straffgespannten Mieder hervor.
    Die allzu nahe Berührung mit der schönen Lisa beunruhigte seine mageren Knochen noch mehr als die zarte Annäherung der schönen Normande. Gavard sagte einmal sehr vertraulich zu ihm, Frau Quenu sei gewiß eine schöne Frau, aber er liebe »weniger gepanzerte«.
    Lisa vermied, mit Quenu über Florent zu sprechen. Sie machte gewöhnlich viel her mit ihrer Geduld. Außerdem hielt sie es für ehrbar, sich nicht ohne sehr ernste Veranlassung zwischen die beiden Brüder zu stellen. Wie sie sagte, sei sie sehr gut, aber man dürfe es bei ihr nicht auf die Spitze treiben. Sie hatte sich auf Duldsamkeit eingestellt mit stummem Gesicht, strikter Höflichkeit und gespielter Gleichgültigkeit und vermied sorgfältig alles, was Florent, der doch jetzt Gehalt bezog, hätte zu verstehen geben können, daß er bei ihnen wohnte und aß, ohne daß man jemals etwas von seinem Geld sah. Nicht daß sie irgendwelche Bezahlung von ihm angenommen haben würde, darüber war sie erhaben; nur hätte er wenigstens außer Haus Mittag essen können. Eines Tages bemerkte sie zu Quenu:
    »Man ist nie mehr allein. Wenn wir jetzt miteinander sprechen wollen, müssen wir warten, bis wir abends im Bett liegen.«
    Und eines Abends sagte sie auf dem Kopfkissen zu ihm:
    »Dein Bruder verdient hundertfünfzig Francs, nicht wahr? – Es ist doch sonderbar, daß er davon nichts beiseite legen kann, um sich Wäsche zu kaufen. Ich war wieder genötigt, ihm drei alte Hemden von dir zu geben.«
    »Bah, das macht doch nichts«, antwortete Quenu, »so heikel ist mein Bruder nicht … Man muß ihm sein Geld lassen.«
    »Aber sicher«, murmelte Lisa, ohne weiter darauf zu bestehen, »ich sage es auch nicht deshalb … Ob er sein Geld auf gute oder schlechte Weise ausgibt, ist ja auch nicht

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