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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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unsere Sache.«
    Sie war überzeugt, daß er sein Gehalt bei den Méhudins vertat. Nur einmal trat sie aus ihrer ruhigen Haltung heraus, aus ihrer wesensbedingten und berechnenden Zurückhaltung. Die schöne Normande hatte Florent einen prachtvollen Lachs geschenkt. Florent, der sehr verlegen war über seinen Lachs und nicht wagte, ihn zurückzuweisen, brachte ihn der schönen Lisa.
    »Vielleicht machen Sie eine Pastete daraus«, sagte er harmlos.
    Sie sah ihn starr an, die Lippen weiß. Dann stieß sie mit einer Stimme hervor, die sie im Zaum zu halten suchte:
    »Glauben Sie etwa, daß man uns vielleicht was zu essen bringen muß? Das wäre ja noch schöner! Gott sei Dank gibt es genug zu essen bei uns! – Bringen Sie ihn zurück!«
    »Lassen Sie ihn wenigstens für mich kochen«, entgegnete Florent, verwundert über ihren Zorn. »Ich werde ihn essen.«
    Jetzt platzte sie:
    »Unser Haus ist kein Wirtshaus, verstanden! Sagen Sie den Leuten, die Ihnen den Fisch gegeben haben, sie sollen ihn selber kochen, wenn sie wollen. Ich habe keine Lust, meine Schmorpfannen damit zu verpesten … Bringen Sie ihn fort, hören Sie!« Sie hätte am liebsten den Fisch genommen und auf die Straße geworfen.
    Er brachte ihn zu Herrn Lebigre, wo Rose den Auftrag erhielt, eine Pastete davon zu bereiten, die dann an einem der nächsten Abende in dem verglasten kleinen Gelaß verspeist wurde. Gavard bezahlte Austern dazu. Florent kam allmählich öfter und blieb schließlich keinen Abend mehr aus. Er fand dort eine überhitzte Umgebung, in der sich sein politisches Fieber frei entfalten konnte. Wenn er sich jetzt manchmal in seine Dachkammer einschloß, um zu arbeiten, beunruhigte ihn die Freundlichkeit des Raumes. Das theoretische Forschen nach Freiheit genügte ihm nicht mehr. Er mußte hinuntersteigen, hingehen und in Charvets schneidenden Axiomen34 und in Logres Aufbrausen Befriedigung finden. An den ersten Abenden hatten ihn dieses Getöse und dieser Redestrom gestört, und er spürte noch die Hohlheit; aber er empfand das Bedürfnis, sich zu betäuben, aufgepeitscht und zu irgendeinem verzweifelten Entschluß getrieben zu werden, der seine geistige Unruhe beschwichtigte. Der Geruch in diesem kleinen Gelaß, der vom Tabakqualm warme süßwürzige Geruch, berauschte ihn, gab ihm eine vollkommene Glückseligkeit, eine Selbstvergessenheit, die ihn einlullte und bedenkenlos auf sehr schwerwiegende Dinge eingehen ließ. Allmählich kam er dahin, Gefallen an den dort zusammenkommenden Gestalten zu finden, sie immer wieder aufzusuchen, sich bei ihnen mit dem Vergnügen der Gewohnheit zu verweilen. Robines weiches und bärtiges Gesicht, Clémences ernstes Profil, Charvets bleiche Magerkeit, Logres Buckel und Gavard und Alexandre und Lacaille gingen in sein Leben ein und nahmen darin einen immer größer werdenden Platz ein. Für ihn war das gleichsam ein ganz sinnlicher Genuß. Wenn er die Hand auf den Messingdrücker des kleinen Gelasses legte, war es ihm, als fühle er, wie dieser Drücker lebte, ihm die Finger wärmte und sich von selber drehte. Er hätte keine lebhaftere Empfindung gehabt, wenn er das geschmeidige Handgelenk einer Frau ergriffen hätte.
    In der Tat gingen sehr ernste Dinge in dem kleinen Gelaß vor. Eines Abends schlug Logre, nachdem er heftiger als sonst gewettert hatte, mit der Faust auf den Tisch und erklärte, wenn sie Männer wären, würden sie die Regierung runterschmeißen. Und er fügte hinzu, man müsse sich sofort miteinander verständigen, falls man bereit sein wolle, wenn der Zusammenbruch kam. Sie steckten die Köpfe zusammen und verabredeten mit immer leiserer Stimme eine kleine, für alle Möglichkeiten vorbereitete Gruppe zu bilden. Von diesem Tage an war Gavard überzeugt, einem Geheimbund anzugehören und ein Verschwörer zu sein. Der Kreis erweiterte sich nicht, aber Logre versprach, ihn mit anderen ihm bekannten Zirkeln in Fühlung zu bringen. Zu einem Zeitpunkt, da man ganz Paris in der Hand hätte, würde man auch die Tuilerien schon kirre kriegen. Dann gab es endlose Erörterungen, die sich mehrere Monate hinzogen: Fragen der Organisation, Fragen über Ziele und Mittel, Fragen der Strategie und der künftigen Regierung. Sobald Rose den Grog für Clémence, die Schoppen Bier für Charvet und Robine, die Mazagrans für Logre, Gavard und Florent und die Gläschen für Lacaille und Alexandre gebracht hatte, wurde das kleine Gelaß sorgfältig verrammelt und die Sitzung eröffnet.
    Auf Charvet und

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