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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Gelehrigkeit und eine Art Ehrfurcht vor den Ratschlägen seines Bruders an den Tag, wenn die schöne Lisa nicht dabei war. Was ihn außerdem verlockte, war vor allem die spießbürgerliche Ausschweifung, seine Fleischerei zu verlassen und sich in diesem kleinen Gelaß einzuschließen, in dem so laut geschrien wurde und in den Clémences Anwesenheit seiner Ansicht nach eine Prise anrüchigen und köstlichen Duftes brachte. Deshalb pfuschte er jetzt seine Bratwürste zusammen, um schneller dorthin zu kommen, weil er sich nicht ein Wort von diesen Diskussionen entgehen lassen wollte, die ihm sehr wichtig erschienen, wenn er ihnen auch nicht immer ganz zu folgen vermochte. Die schöne Lisa bemerkte sehr wohl die Eile, davonzukommen. Sie sagte noch nichts. Wenn Florent ihn abholte, trat sie auf die Türschwelle und sah ihnen ein wenig blaß und mit strengen Blicken nach, wie sie bei Herrn Lebigre hineingingen.
    Eines Abends erkannte Fräulein Saget von ihrer Dachluke aus den Schatten Quenus auf den matten Scheiben des auf die Rue Pirouette gehenden großen Fensters des kleinen Gelasses. Sie hatte da einen ausgezeichneten Beobachtungsposten gegenüber dieser milchigen durchscheinenden Fläche gefunden, auf der sich die Silhouetten jener Herren mit plötzlich auftauchenden Nasen, jäh hervorspringenden Unterkiefern, riesigen, sich auf einmal herausstreckenden Armen abzeichneten, ohne daß die Leiber zu sehen waren. Diese seltsamen Gliederverrenkungen, diese stummen und rasenden Profile, die die hitzigen Diskussionen in dem kleinen Gelaß nach außen verrieten, hielten sie hinter ihrem Musselinvorhang fest, bis die durchscheinende Fläche dunkel wurde. Sie witterte da irgendeinen »Schurkenstreich«. Schließlich erkannte sie die Schatten an den Händen, an den Haaren, an der Kleidung. In dem Durcheinander von geballten Fäusten, zornigen Köpfen, geblähten Schultern, die sich loszulösen und aufeinanderzurollen schienen, stellte sie unzweideutig fest: Das da ist der lange Lümmel, der Vetter; das ist der alte Geizhals Gavard, und das ist der Bucklige und da diese Bohnenstange, die Clémence! Als sich dann die Silhouetten mehr und mehr erhitzten und völlig durcheinandergerieten, überkam sie ein unwiderstehliches Verlangen, hinabzusteigen und gucken zu gehen. Sie kaufte ihren schwarzen Johannisbeerschnaps am Abend unter dem Vorwand, daß sie sich morgens immer »ganz verdattert« fühle; sie brauche ihn gleich beim Aufstehen, meinte sie. Als sie eines Tages den dicken Kopf Quenus erkannte, vor dem die dünne Faust Charvets nervös hin und her fuchtelte, kam sie ganz außer Atem zu Herrn Lebigre herein und ließ sich von Rose erst ihr Fläschchen ausspülen, um Zeit zu gewinnen. Sie schickte sich indessen schon an, wieder zu sich nach Hause zu gehen, als sie die Stimme des Fleischers mit kindlicher Offenherzigkeit sagen hörte: »Nein, so geht das nicht weiter … Man wird diesem Haufen von Hanswürsten, den Abgeordneten und Ministern und dem ganzen Drum und Dran, tüchtig eins mit dem Scheuerlappen überziehen!«
    Am nächsten Morgen war Fräulein Saget um acht Uhr in der Fleischerei. Dort traf sie Frau Lecœur und die Sarriette, die ihre Nasen in den Würstchenkessel steckten, um warme Würstchen zum Frühstück zu kaufen. Da die alte Jungfer die beiden in ihren Streit mit der Normande wegen der Kliesche zu zehn Sous hineingezogen hatte, waren sie auf einen Schlag mit der schönen Lisa wieder versöhnt. Jetzt war die Fischhändlerin keinen Pfifferling mehr wert. Und sie zogen über die Méhudins her, diese Mädchen aus schlechter Familie, die nur auf das Geld der Männer aus waren. Die Wahrheit war, daß Fräulein Saget der Butterhändlerin zu verstehen gegeben hatte, Florent überlasse Gavard hin und wieder eine der beiden Schwestern, und zu viert veranstalteten sie dann bei Baratte Gelage bis zum Platzen, wohlgemerkt von den Hundertsousstücken des Geflügelhändlers. Frau Lecœur wurde krank davon, und ihre Augen waren gelb vor Galle.
    An diesem Morgen nun wollte die alte Jungfer Frau Quenu einen Hieb versetzen. Sie drehte sich vor dem Ladentisch hin und her und sagte dann mit ihrer süßesten Stimme:
    »Gestern abend habe ich Ihren Mann gesehen. Ach ja, die unterhalten sich gut in dem kleinen Gelaß, wo sie soviel Lärm machen!«
    Lisa hatte sich zur Straße umgewandt, spitzte die Ohren, wollte aber zweifellos nicht von vorn zuhören.
    Fräulein Saget machte in der Hoffnung, gefragt zu werden, eine Pause. Dann fügte

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