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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sie leiser hinzu:
    »Die haben eine Frau bei sich … Oh, Ihr Mann nicht, das behaupte ich nicht, ich weiß ja nicht …«
    »Das ist Clémence«, unterbrach die Sarriette, »so eine lange Dürre, die sich aufplustert, weil sie ins Pensionat gegangen ist. Sie lebt mit einem schäbigen Lehrer … Ich habe sie zusammen gesehen; sie sehen immer aus, als ob einer den andern zur Polizeiwache bringt.«
    »Ich weiß, ich weiß«, fuhr die Alte fort, die Charvet und Clémence bestens kannte und die einzig redete, um die Fleischersfrau zu beunruhigen.
    Diese rührte sich nicht. Sie schien irgend etwas sehr Fesselndes in den Markthallen zu betrachten.
    Da fuhr die andere schweres Geschütz auf. Sie wandte sich an Frau Lecœur:
    »Ich wollte Ihnen sagen, Sie würden gut tun, Ihrem Schwager zu raten, vorsichtig zu sein. Sie schreien da in dem kleinen Gelaß Dinge heraus, daß man es mit der Angst bekommt. Wahrhaftig, die Männer mit ihrer Politik sind unvernünftig. Wenn das jemand hört, nicht wahr, könnte das sehr schlimm für sie ausgehen!«
    »Gavard macht, was ihm paßt«, seufzte Frau Lecœur. »Das fehlt gerade noch! Die Sorge würde mich erledigen, wenn er sich jemals ins Gefängnis bringt.« Und ein Leuchten erschien in ihren umnebelten Augen.
    Aber die Sarriette lachte und schüttelte ihr kleines, von der Morgenluft ganz frisches Gesicht.
    »Jules würde sie schon zurechtrücken«, sagte sie, »die schlecht vom Kaiserreich reden … Sie müßten alle in die Seine geschmissen werden, denn kein einziger anständiger Mensch ist unter ihnen, wie er mir erklärt hat.«
    »Ach«, fuhr Fräulein Saget fort, »das ist nicht weiter schlimm, solange derartige Unvorsichtigkeiten nur solchen Leuten wie mir zu Ohren kommen. Sie wissen, daß ich mir eher die Hand abhacken lassen würde … Also Herr Quenu hat gestern abend gesagt …« Sie hielt noch inne, denn Lisa hatte eine leichte Bewegung gemacht. »Herr Quenu hat gesagt, daß die Minister, die Abgeordneten und das ganze Drum und Dran an die Wand gestellt werden müßten.«
    Diesmal wandte sich die Fleischersfrau, kreideweiß, die Hände unter der Schürze verkrampft, unvermittelt um.
    »Das hat mein Mann gesagt?« fragte sie mit kurzatmiger Stimme.
    »Und noch andere Sachen, an die ich mich nicht erinnere. Sie verstehen, ich habe das gehört … Ängstigen Sie sich nicht so, Madame Quenu, Sie wissen, daß nichts über meine Lippen kommt; ich bin alt genug, abzuwägen, was einen Mann zu weit bringen könnte … Das bleibt unter uns.«
    Lisa hatte sich wieder gefaßt. Sie war stolz auf den ehrbaren Frieden ihrer Ehe; sie gab nicht die geringste Wolke zwischen sich und ihrem Mann zu. Deshalb zuckte sie schließlich die Schultern und murmelte mit einem Lächeln:
    »Dummheiten sind das, die die Kinder zum Lachen bringen.«
    Als sich die drei Frauen wieder auf dem Bürgersteig befanden, waren sie sich darüber einig, daß die schöne Lisa ein sehr schrulliges Gesicht gezogen habe. Das Ganze mit dem Vetter, mit den Méhudins, mit Gavard, mit Quenus und ihren Geschichten, aus denen niemand klug würde, werde ein schlimmes Ende nehmen. Frau Lecœur fragte, was denn mit »wegen Politik« Verhafteten geschehe. Fräulein Saget wußte nur, daß sie nicht mehr, niemals mehr zum Vorschein kämen, was die Sarriette dazu trieb, zu sagen, daß man sie vielleicht in die Seine schmeiße, wie Jules es verlangte.
    Beim Mittagessen und beim Abendbrot vermied die Fleischersfrau jede Anspielung. Als Florent und Quenu abends zu Herrn Lebigre gingen, schien in ihren Augen nicht mehr Strenge zu liegen als sonst. Aber gerade an diesem Abend wurde die Frage der künftigen Verfassung durchgesprochen, und es war ein Uhr morgens, als sich die Herren entschlossen, das kleine Gelaß zu verlassen. Die Fensterläden waren schon eingehängt und sie mußten einer nach dem andern mit gekrümmtem Kreuz durch die kleine Tür gehen. Quenu kehrte mit unruhigem Gewissen nach Hause zurück. Er öffnete die drei oder vier Türen der Wohnung so leise wie möglich und ging auf den Zehen und mit vorgestreckten Armen durch die gute Stube, um nicht gegen die Möbel zu stoßen. Alles schlief. Im Schlafzimmer verdroß es ihn sehr, daß Lisa die Kerze angezündet gelassen hatte; diese Kerze brannte inmitten der Stille mit hoher und trauriger Flamme. Als er die Schuhe auszog und sie auf eine Ecke des Teppichs stellte, schlug die Stutzuhr mit so hellem Klang halb zwei, daß er sich bestürzt umwandte, Angst hatte, eine Bewegung zu

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