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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gegenüber auf, der unter seiner Daunendecke verschwand.
    Er versuchte zu erklären, was diese Herren wollten; aber er verhedderte sich in den politischen und sozialen Systemen Charvets und Florents. Er sprach von mißachteten Grundsätzen, von der Heraufkunft der Demokratie, der Wiedergeburt der Gesellschaft, brachte aber alles so sonderbar durcheinander, daß Lisa verständnislos die Achseln zuckte. Schließlich half er sich dadurch, daß er auf das Kaiserreich schimpfte: es sei die Herrschaft der Ausschweifung, der unlauteren Geschäfte, des Raubes mit der Waffe in der Hand.
    »Siehst du«, sagte er und erinnerte sich an einen Satz Logres, »wir sind die Beute einer Bande von Abenteurern, die Frankreich ausplündern, vergewaltigen und morden … So kann es nicht weitergehen!«
    Lisa zuckte nur immer die Achseln.
    »Das ist alles, was du zu sagen hast?« fragte sie mit ihrer schönen Gelassenheit. »Was soll mir das alles, was du da erzählst? Und wenn es so wäre, was dann? – Rate ich dir vielleicht, ein unehrlicher Mann zu werden? Treib ich dich dazu, deine Wechsel nicht zu bezahlen, die Kundschaft zu betrügen, zu schnell unrechtmäßig erworbene Hundertsousstücke zu hamstern? – Du wirst mich schließlich in Wut bringen! Wir jedenfalls sind anständige Leute, die niemand ausplündern und niemand morden. Das genügt. Die andern gehen mich nichts an; sollen sie Lumpenpack sein, wenn sie wollen!« Sie war prachtvoll und sieghaft. Hochaufgerichtet begann sie wieder auf und ab zu gehen und fuhr fort: »Um denen Vergnügen zu bereiten, die nichts haben, dürfte man also nicht einmal seinen Lebensunterhalt verdienen … Selbstverständlich nütze ich die günstige Gelegenheit und unterstütze die Regierung, die den Handel in Gang hält. Wenn sie üble Dinge anstellt, will ich nichts davon wissen. Ich weiß, daß ich keine anstelle, und ich habe keinerlei Befürchtung, daß man im Viertel mit dem Finger auf mich zeigt. Es wäre auch zu dumm, gegen Windmühlen zu kämpfen … Du entsinnst dich, wie Gavard bei den Wahlen sagte, daß der Kandidat des Kaisers ein Mann sei, der Bankrott gemacht habe und in schmutzige Geschäfte verwickelt sei. Das mochte stimmen, ich kann nicht das Gegenteil behaupten. Du aber hast nichtsdestoweniger sehr klug gehandelt, für ihn zu stimmen, denn es war nicht davon die Rede, daß man von dir verlangte, diesem Herrn Geld zu leihen oder mit ihm Geschäfte zu machen, sondern der Regierung zu zeigen, daß du zufrieden bist, die Fleischerei blühen zu sehen.«
    Jetzt erinnerte sich Quenu aber an einen Satz Charvets, der besagte, »alle diese gemästeten Spießbürger, diese fettstrotzenden Krämer, die eine allen im Magen liegende Regierung unterstützen, müßten als erste in die Faulgrube geschmissen werden«. Ihnen und dem Egoismus ihres Bauches sei es zu verdanken, wenn die Despotie die Oberhand gewinne und eine Nation untergrabe. Er versuchte diesen Satz zu Ende zu führen, als ihm Lisa, auf gebracht vor Entrüstung, das Wort abschnitt:
    »Laß das doch! Mein Gewissen wirft mir nichts vor. Ich bleibe keinen Sou schuldig, ich mache keine krummen Geschäfte, ich kaufe und verkaufe einwandfreie Ware, ich nehme keine höheren Preise als der Nachbar … Das, was du sagst, trifft für unsere Verwandten zu, die Saccards. Die tun, als ob sie gar nicht wüßten, daß ich in Paris bin. Aber ich bin noch stolzer als sie, ich pfeife auf ihre Millionen. Es heißt, daß Saccard bei den Abbrucharbeiten Geschäfte macht und dabei alle Welt bestiehlt. Das wundert mich nicht; er ging immer darauf aus. Er liebt das Geld, um sich darauf zu wälzen, um es dann wie ein Verrückter zum Fenster hinauszuwerfen … Daß man Leute seines Schlages, die zu große Reichtümer anhäufen, in einen Prozeß verwickelt, sehe ich ein. Wenn du es wissen willst, ich schätze Saccard nicht … Aber uns, die wir so ruhig leben, die wir fünfzehn Jahre brauchen, um es zu einigem Wohlstand zu bringen, die wir uns nicht mit Politik beschäftigen, deren einzige Sorge es ist, unsere Tochter zu erziehen und unser Schifflein zu steuern – na, geh doch! Du wirst lachen; wir sind ehrbare Leute.« Sie setzte sich auf den Bettrand.
    Quenu war wankend geworden.
    »Hör mir einmal gut zu«, fuhr sie mit eindringlicherer Stimme fort. »Ich denke, du willst nicht, daß sie deinen Laden ausplündern, deinen Keller leer machen, dein Geld stehlen? Falls diese Männer bei Lebigre den Sieg davontragen, glaubst du, daß du da am nächsten Morgen

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