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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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aber der Schatzmeister wollte mehr. Keiner besaß seine Fähigkeiten. Medes hielt sich für den Besten und verlangte auch die entsprechende Anerkennung. Wenn das dieser eigensinnige König weiterhin nicht einsehen würde, musste er einschreiten, notfalls auch mit Gewalt. Sesostris hatte viele Feinde, darunter vor allem die schwerreichen Gaufürsten, mit denen sich Medes sehr gut verstand. Sollte der Pharao den Fehler machen, deren Vorrechte anzugreifen, würde er nicht lange an der Macht bleiben. Munkelte man nicht sogar, dass einer seiner Vorgänger ermordet worden sei?
    Also hinterfragte Medes die wahren Strukturen der Macht und überlegte, wie er sich ihrer am besten bemächtigen könnte. Um gewisse Zuteilungen besser abzweigen zu können, die für die Tempel bestimmt waren, war er zeitweiliger Priester geworden. Und als er dann an verschiedenen Ritualen teilgenommen hatte, war er ganz in die Nähe des Allerheiligsten gelangt. Er stellte seine Begeisterung für spirituelle Übungen zur Schau, schmeichelte seinen Vorgesetzten und gab sich als großzügiger Gönner, dabei war Medes eigentlich gerade von den Mysterien fasziniert, zu denen er keinen Zugang hatte. Nur der König und einige wenige ständige Priester durften sie betrachten. War es nicht das, woraus der König hauptsächlich seine Kraft schöpfte?
    Die Pforten zur Tempel-Klausur blieben dem Schatzmeister verschlossen. Und auf diesen Bereich, den Medes für ebenso wichtig hielt wie wirtschaftliche Unternehmungen, hatte er bisher keinerlei Zugriff. Er war aber auch nicht bereit, seine weltlichen Ämter aufzugeben, um ganz zurückgezogen zu leben.
    Die Lage blieb unverändert, bis er über das Geschwätz eines Würdenträgers aus dem Hathor-Tempel in Memphis an eine überaus wichtige Nachricht über das Göttliche Land, das Land Punt, gelangte. Wie alle, die diese Fabel kannten, machte sich auch Medes sonst darüber lustig. Das Volk und die Kinder liebten alles Sagenhafte, und sie wollten mit Legenden gut unterhalten werden.
    Doch nach den Worten dieses Würdenträgers war Punt durchaus keine Legende.
    Das Land Gottes gab es tatsächlich, und es barg außergewöhnliche Reichtümer, so zum Beispiel ein unvergleichliches Gold, das früher insgeheim für gewisse Heiligtümer verwendet worden war. Im Gegenzug für kostbare Möbel hatte der Schwätzer ein paar vage geographische Anhaltspunkte verraten, ehe er an einem Herzanfall starb. Dabei hatte man zwar nicht viel erfahren, aber es reichte, um Nachforschungen anzustellen.
    »Herr, Euer Besucher ist eingetroffen«, sagte Medes’ Haushofmeister.
    »Lass ihn etwas warten, ich muss mich noch einige Minuten ausruhen.«
    Medes war dick geworden. Weil er auch noch mit zweiundvierzig über einen Überschuss an Energie verfügte, neigte er dazu, zu viel zu essen und zu trinken, um seine Unzufriedenheit zu überspielen. Da seine Frau genauso füllig war wie er, mussten sie sich ziemlich erfinderisch, um nicht zu sagen pervers zeigen, wenn sie ihren Spaß haben wollten.
    Medes hatte einen runden Kopf, glattes schwarzes Haar, ein Mondgesicht, einen kräftigen Körper, kurze Beine und dicke Füße und wirkte insgesamt gedrungen.
    Manchmal hatte er das Gefühl, er müsse ersticken, besonders wenn er nicht sofort bekam, was er wollte. Aber seine Gier war so groß, dass er immer wieder die Oberhand gewann, um vorwärts zu kommen. Und dieses Treffen mit dem Boten, der jetzt auf ihn wartete, dürfte sehr wahrscheinlich einen weiteren Schritt zum Erfolg darstellen.
    Zur Straßenseite hin war sein Haus gut geschützt: Hölzerne Gitter vor den Fenstern hielten neugierige Blicke fern, die Eingangstür war aus dicken Bohlen und mit einem schweren Riegel versperrt, und es gab einen Dienstboteneingang, der Tag und Nacht bewacht wurde. Das Haus hatte zwei Stockwerke, fünfzehn Zimmer, eine Terrasse und eine offene Loggia zum Garten, in dem ein Teich angelegt worden war.
    Medes empfing seinen Besucher in einem Pavillon, wo sie ungestört reden konnten. Der Besucher war niemand anders als der falsche Wachmann, der Iker verhört hatte.
    »Ich hoffe, du bringst mir gute Nachrichten«, begrüßte er ihn.
    »Mehr oder weniger, Herr.«
    »Hast du das Gold?«, fragte Medes.
    »Ja und nein. Vielleicht…«
    Medes spürte, wie der Zorn in ihm hochstieg. »Wenn es um Geschäfte geht, schätze ich keine Ungenauigkeiten. Machen wir es also der Reihe nach. Wann ist Gefährte des Windes in ihren Hafen zurückgekehrt?«
    »Sie ist nicht

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