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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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Töne; Erinnerungen, die sich nicht fassen ließen.
    Bildete sie es sich nur ein, oder wirkte ihr Vater hier in diesem Bett tatsächlich auf einmal irgendwie krank? Gebrechlich fast, als hätten die Ereignisse der letzten Tage seine letzten Energiereserven aufgezehrt. Nachdem die Ärztin sich verabschiedet hatte, wollte Meer ihn ein wenig in die Mangel nehmen, kam aber nicht dazu, denn Malachai und Sebastian betraten das Zimmer.
    “Na, geht’s wieder?”, fragte Sebastian. “Was ist denn da in der Gruft passiert?”
    “Die Ärztin war ja doch eine ganze Weile bei dir drin”, ergänzte Malachai.
    Jeremy erläuterte den ganzen Vorfall. Meer hatte eine Gelegenheit benötigt, um in eine Urne zu gucken; also hatte er den Anfall vorgetäuscht, um die Aufmerksamkeit von ihr abzulenken. “Sei’s drum! Ich soll noch zur Beobachtung bleiben. Ich bin halt in dem Alter, wo sie einen nicht eher rauslassen, als bis sie einen auf Herz und Nieren durchgecheckt haben. Bis dahin, Malachai, müssen wir rauskriegen, was Meer da gefunden hat, was es bedeutet und was unser nächster Schritt sein muss.”
    Meer war klar, wieso ihr Vater Malachai mit einbezog, Sebastian Otto aber nicht. Als sie Sebastian ansah, stellte sie fest, dass er sie beobachtete. Ihre Blicke trafen sich. Abermals spürte sie jenes widerstreitende Gefühl: angezogen und abgestoßen zugleich; einerseits froh, dass er da war, andererseits beklommen ob seiner Gegenwart. Sie wandte sich an Malachai. “Was sagten Sie?”
    “Ich fragte, was Sie da mitgenommen haben.” Seine dunklen Augen schimmerten vor gespannter Erwartung.
    Meer fasste in ihre Jeanstasche und zog den Gegenstand heraus, den sie in der Herzgruft aus der Silberurne genommen hatte. Es war eine knapp zweieinhalb Zentimeter lange Röhre aus mattiertem, schwarz vernarbtem Metall, vermutlich Silber, oben mit einer Öffnung und seitlich mit einer Einkerbung versehen. Weitere Markierungen waren nicht zu erkennen. Das Ding fühlte sich kalt an, so eisig, dass Meer die Kälte durch die Fingerspitzen den ganzen Arm hinauf spürte, bis hin zum Halsansatz und dann den Rücken hinunter. Es ließ sie so heftig erschauern, dass die kleine Röhre in ihrer Handfläche zitterte.
    “Was ist das?”, wollte Sebastian wissen.
    “Wussten Sie schon beim Betreten der Gruft, dass Sie da einen Hinweis finden würden?”, fragte Malachai.
    “Nein, ich hatte keine Ahnung.”
    “Und wissen Sie, wofür das ist?”, fragte er.
    Sie verneinte kopfschüttelnd.
    “Wir müssen möglichst schnell ergründen, was es mit diesem Schlüssel auf sich hat”, bemerkte Jeremy. “Aber von hier aus werden wir das nicht schaffen. Sebastian, haben Sie heute frei? Können Sie uns vielleicht helfen?”
    “Ich muss noch zum Musikverein, Probe für das Konzert übermorgen. Aber erst um sieben.”
    “Wie?”, rief Jeremy entgeistert. “Donnerstagabend? Und ich habe keine Karten für die Aufführung?”
    Sebastian erklärte ihm die Lage und wandte sich dann an Malachai. “Wenn Sie ebenfalls kommen möchten – ich kann wahrscheinlich noch ein Ticket besorgen. Ich würde mich freuen. Wir geben Beethovens
Eroica
.”
    “Mit dem größten Vergnügen!”, erwiderte Malachai begeistert.
    Meer hörte nicht mehr zu. Die Erwähnung Beethovens erinnerte sie an das am Vortag besichtigte Grabmal. Und an den Grabstein von Margaux.
    “Fällt Ihnen etwas ein?”, forschte Malachai.
    Meer hörte das verzweifelte Suchen in seiner Stimme, das Leitmotiv ihrer Kindheit: Malachai und ihr Vater, wie sie versuchten, den Schutzmantel ihrer Vergangenheit, ihrer Vorlebenserinnerung zu lüften. “Sie haben doch mit Tausenden von Kindern gearbeitet”, wandte sie ein. “War das denn nicht Gelegenheit genug, den gesuchten Beweis zu finden?”
    “Ein Erinnerungswerkzeug, das hätte als Nachweis doch ein ganz anderes Gewicht!”
    “Wenn es so etwas wirklich gäbe – wie hat man sich das dann vorzustellen?”, fragte Sebastian. “Meinen Sie, der Klang der Musik würde reichen, um bei jemandem Erinnerungen auszulösen?”
    “Behauptet jedenfalls die Legende”, bestätigte Malachai. “Entweder die Tonfolge oder die Schwingungen beim Spielen der Flöte.”
    “Mal angenommen, es gäbe wirklich konkret die Möglichkeit, die Zeit so zu manipulieren – würde das dann mit der jüngeren Vergangenheit genauso klappen? Oder nur mit der älteren?”
    Meer begriff, was Sebastian mit der Frage bezweckte, auch wenn Malachai es nicht verstand. Sebastian überlegte

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