Der Befehl aus dem Dunkel
wünsche, daß sie in jeder Weise von allen Stellen respektiert wird«, warf General Borodajew dazwischen und schob seinen Arm unter den Helenes.
»So, meine Gnädige. Das Gepäck ist beisammen. Ich glaube, wir könnten jetzt …«
»Verzeihung, meine Herrschaften, daß ich Sie aufgehalten habe. Es war mir ein großes Vergnügen, die gnädige Frau persönlich kennenzulernen. Hoffentlich habe ich noch öfter die Gelegenheit.«
Nach ein paar Abschiedsworten wandte Turi Chan sich zum Gehen.
*
»Ich muß dich jetzt allein lassen, Helene«, sagte Borodajew, »denn ich habe noch eine Besprechung. Hoffentlich bist du mit diesen Aufenthaltsräumen zufrieden. Wenn noch irgend etwas fehlt, wende dich bitte an Oberst Taratin. Er ist ein treuer Mensch, auf den du dich unbedingt verlassen kannst.«
Er legte den Arm um Helene, die sich fest an ihn schmiegte. Sie hob ihr Gesicht Borodajew entgegen und ließ in seliger Hingabe die Flut von Küssen über sich ergehen. —
Borodajew … Sooft sie mit ihm in Berührung gekommen war, war er stets liebenswürdig und zuvorkommend zu ihr gewesen, doch nie hatte ein Blick, ein Händedruck gezeigt, daß er auch nur die Spur eines tieferen Gefühls für sie besäße … Da war der Tag gekommen, an dem sie auf einem gemeinsamen Spazierritt von einem Gewitter überrascht wurden. Ihr Pferd, durch einen besonders heftigen Donnerschlag erschreckt, bäumte sich auf, daß sie aus dem Sattel glitt, zu Boden stürzte. In dem ersten Schrecken über den Sturz hatte sie sekundenlang die Augen geschlossen. Da hatten sich zwei starke Arme um sie geschlungen, zwei Lippen die ihren berührt.
Ohne einen Augenblick zu zögern, hatte sie Forbin verlassen, war zu Borodajew gegangen. Was auch immer kommen sollte, sie würde nie von ihm weichen, jedes Los teilen, das ihn träfe. — Einen Tag später stand Turi Chan General Jemitsu in dessen Arbeitszimmer gegenüber.
»Was ist, Turi Chan? Du siehst nicht sehr zufrieden aus. Ist es da drüben nicht so gegangen, wie du hofftest?«
»Nein, Jemitsu, leider nicht!« antwortete Turi Chan kopfschüttelnd.
Der General runzelte die Stirn und fragte beklommen: »Haben deine Pulver keine Wirkung gehabt?«
Turi Chan machte eine beruhigende Handbewegung. »Das war es nicht, Jemitsu, aber man wich mir in Australien aus. Wo ich auch hinkam, alte Beziehungen aufzufrischen, empfing man mich kühl, wies man mich ab.
Alle meine Pläne scheiterten. Kurz, der Erfolg meiner Reise ist sehr gering. Ich hatte das Gefühl, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden.«
Turi Chan wollte weitersprechen. Da besann er sich … wozu Jemitsu vielleicht unnötig beunruhigen? Er war in Canberra Major Dale und Clennan begegnet, deren Gesichter er von der »James Cook« her in Erinnerung hatte. Im Begriff, zu einem hohen Regierungsbeamten zu gehen, den er von England aus kannte, hatte er vorher Allgermissens Pulver genommen … Während der kurzen Zeit des Vorbeigehens an den beiden waren Gedanken zu ihm gedrungen – beunruhigend, drohend. Dazu die Mienen der beiden. Es konnte nicht anders sein, als daß diese beiden Männer Verdacht gegen ihn hatten. Und dann die Erinnerung, die er immer wieder vergeblich zu bannen suchte, die Erinnerung an das, was mit ihm auf der »James Cook« vorgegangen war … Er machte eine befreiende Bewe gung, ging zum Fenster und riß es auf. —
»Turi Chan! Warum verschwiegst du mir das?«
Dieser drehte sich erschrocken um und schaute zu Jemitsu hin, der mit ernstem Gesicht dastand.
»Was willst du von mir? Was meinst du, Jemitsu?« »Turi Chan, dein Geist ist nicht gesund, hast du doch ganz vergessen, daß du von dem Pulver genommen hast, ehe du hierherkamst. So habe ich vieles von dem verstanden, was du eben dachtest. Jetzt verlange ich von dir vollkommene Offenheit. Sage mir alles, was dich drückt, was du fürchtest. Nur so kann Rat geschaffen werden.« —
Lange saßen sie zusammen und sprachen.
»So muß unverzüglich gehandelt werden«, sagte Jemitsu.
»Ich werde dafür sorgen, daß einige unserer geschicktesten Agenten sofort nach Australien gehen. Major Dale, der Ingenieur Clennan und jener dritte müssen unter schärfster Beobachtung gehalten werden. Wie nanntest du doch seinen Namen?
Georg Astenryk …?«
»Vor allem dieser«, sagte Turi Chan. »Wenn mich meine Menschenkenntnis nicht trügt, müssen wir in ihm die größte Gefahr erblicken.«
Nach einer Pause setzte er leiser hinzu: »Wäre er nicht mehr auf dieser Welt, würde ich
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