Der Befreier der Halblinge: Roman (German Edition)
Der Starke Narbenmann trug ein Tunika-ähnliches Gewand, das in der Mitte durch einen einfachen Gürtel aus gedrehten Blattfasern zusammengehalten wurde. Hinter dem Gürtel steckte ein gebogenes Holz. Ein Holz, das zurückkehrte, wenn man es warf, und aus dem Holz des Runenbaums gefertigt war.
Qaláq setzte zu einem leichtfüßigen Spurt an. Die Hauptastgabel des Runenbaums war ein riesiger Platz– viel größer, als dies bei jedem Wohnbaum der Fall war. Grebu eilte dem viel gewandteren Starken Narbenmann mühsam hinterher. » Rücksicht auf das Alter! « , forderte er.
» Bin der Ältere! « , rief Qaláq zurück, während er sich im Lauf kurz umdrehte.
» Das ist etwas anderes « , ächzte Grebu. » Die Magie dieses Baumes hat dich über Jahrhunderte jung gehalten. Auf mich hat er leider nicht so eine Wirkung. «
Grebu sah auf die Runen, die den Baum vollkommen bedeckten. Magische Elbenrunen, die sich ständig veränderten. Grebu war zwar des Elbischen mächtig, hatte es aber längst aufgegeben, diese Zeichen lesen zu wollen. Sie veränderten sich oft schon im nächsten Moment, fügten sich neu zusammen und bildeten andere Wörter und Bedeutungen.
Etwas behäbig kletterte Grebu nun die Steigung empor, die einen der Hauptäste hinaufführte. Die Borke wurde von tiefen Furchen durchzogen, die manchmal so breit waren, dass man selbst mit einem großen Halblingfuß hängen bleiben und stolpern konnte, wenn man nicht aufpasste.
Qaláq hatte inzwischen bereits das äußere Geäst erreicht. Die Äste dort waren allerdings immer noch breit genug, dass man bequem darauf gehen konnte, ohne Gefahr zu laufen, der Ast könnte abbrechen. Das war bei dem gewaltigsten aller Bäume ziemlich ausgeschlossen.
Grebu lauschte. Seine spitzen, durch das dichte grauweiße Haar ragenden und ziemlich abstehenden Halblingohren bewegten sich leicht dabei. Auf seiner Stirn erschien eine tiefe Furche, die von der Nasenwurzel hinaufführte und sich kurz vor dem Haaransatz verlor.
Wildes Kampfgeheul klang leise herüber. Und dann ein Schrei, von dem Grebu beim besten Willen nicht hätte sagen können, ob er von einem Halbling, einem Wolfskrieger oder einem Ork stammte.
Er sah im Geäst der benachbarten Bäume einen Halbling emporklettern. Zeitweilig verschwand er hinter dem dichten Blätterdach und tauchte wenig später wieder auf. » Hey, das ist doch Rapiermeister Asrado « , entfuhr es Grebu. » Es hat also doch noch jemand aus dem Stamm von Brado dem Flüchter überlebt! «
Asrado, der Generationen von Halblingen auf Gomlos Baum Unterricht in der Kunst des Rapier-Fechtens gegeben hatte, kletterte nun in Bereiche, in denen die Äste sich bereits stark unter seinem Gewicht bogen und so dünn waren, dass selbst ein Halbling sich kaum noch darauf halten konnte. » Kommt hierher, werter Asrado! « , rief Grebu aus vollem Hals.
» Kann nur hören, aber nicht sehen « , stellte Qaláq auf seine trockene, nüchterne Art fest. » Wird sich wundern, woher Stimme kommt, und vielleicht Gleichgewicht verlieren. «
Etwas zischte mit unglaublicher Kraft durch das Geäst. Ein Geschoss, dem Asrado gerade noch auszuweichen vermochte. Es war der Bolzen einer Armbrust, der um Haaresbreite an Asrados Kopf vorbeischnellte und dann irgendwo im Holz eines Nachbarbaums stecken blieb.
Asrado wurde zwar nicht getroffen, aber er verlor das Gleichgewicht, machte eine unbedachte Bewegung und fiel in die Tiefe. Das triumphierende Heulen einiger Wolfskrieger war daraufhin zu hören.
» Oh nein « , entfuhr es Grebu. » Fünfzig Jahre jünger müsste man sein! «
» Alter keine Entschuldigung « , fand Qaláq.
Der Fall von Rapiermeister Asrado wurde durch einige Äste etwas gebremst. Schmerzhaft peitschten sie den Halbling. Er versuchte vergeblich, irgendwo Halt zu finden, rutschte weiter in die Tiefe und fasste dann schließlich eine herabhängende Ranke. Dort konnte er sich aber ebenfalls nicht festhalten. Ein brennender Schmerz entstand durch den Abrieb an der Handfläche. Er schwang ein Stück mit der Ranke durch das niedere Geäst der Riesenbäume, rutschte dabei immer tiefer und musste sie schließlich loslassen.
Während Rapiermeister Asrado schreiend und mit rudernden Armbewegungen durch die Luft geschleudert wurde, hörte man das ohrenbetäubende Kriegsgeheul der Wolfsmenschen, die offenbar den Wald durchkämmten, um Beute zu finden.
Asrado landete genau in einem Pferdefressmoos. Diese fleischfressende Pflanze durchmaß zehn Schritt in Länge und
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