Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
schaute er zu, wie man sie in das hell erleuchtete Foyer des Krankenhauses schob. Erst nachdem sich die Türen hinter ihr geschlossen hatten, merkte er, dass er den Atem angehalten hatte.
Dann fuhr der Streifenwagen vor, den er angefordert hatte. Roan wies Officer Allen Bates an, in der Nähe der Frau zu bleiben, bis man sie aus dem OP sicher in ihr Krankenzimmer gebracht hatte, und dann vor der Tür Posten zu beziehen. Doch auch als der Hilfssheriff längst im Krankenhaus verschwunden war, rührte sich Roan immer noch nicht vom Fleck.
Er war schon bei hunderten von Krankenwagen vorausgefahren. Oft wurden Leute transportiert, die er kannte, Freunde und manchmal sogar jemand aus seiner eigenen weit verzweigten Familie. Normalerweise konzentrierte er sich sowohl auf die Sicherheit der transportierten Person wie auch auf die der anderen Verkehrsteilnehmer und Fußgänger, die ihren Weg kreuzten. Heute Nacht aber war es anders gewesen. Heute Nacht hatte er kaum gewusst, was er tat.
Er hatte einfach die Erinnerung an die Frau nicht aus seinem Kopf bekommen, die da so still in ihrem Blut gelegen hatte, mit seiner Kugel in der Schulter. Diese Ewigkeit, bis endlich der Krankenwagen gekommen war, war ihm wie ein Albtraum erschienen, in dem er sich wie ein Roboter bewegt und gehandelt hatte. Irgendwie vermischten sich seine Erinnerungen mit den Erinnerungen an jene andere Nacht, die Nacht, in der er Carolyn auf dem Boden liegend in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer gefunden hatte, neben dem Bett, das sie seit drei Jahren geteilt hatten. Blut, da war überall so viel Blut gewesen, sogar auf seiner Ersatzpistole, die sie gegen sich selbst gerichtet hatte, und auf dem Abschiedsbrief, den sie ihm hinterlassen hatte.
Er hatte sich damals um seine Frau genauso gekümmert wie um die Verdächtige heute Nacht, er hatte sie während der kurzen Fahrt ins Krankenhaus in seinen Armen gehalten und ihr verzweifelt zugeredet durchzuhalten. Sie hatte es glücklicherweise geschafft, obwohl ihre Ehe in jener Nacht gestorben war. Da sie anscheinend lieber hatte sterben wollen, als weiter mit ihm zu leben, hatte er in die Scheidung eingewilligt, um die sie ihn gebeten hatte.
Roan schüttelte den Kopf, um ihn wieder klarzubekommen. Diese Frau von heute Nacht war nicht Carolyn, sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mit der todessüchtigen, übersensiblen Kindfrau, die seine Ehefrau gewesen war. Das Leben war fast zu viel für Carolyn, aber das schien bei der Frau, auf die er geschossen hatte, ganz und gar nicht der Fall zu sein. Sie war aus dem Dunkel auf ihn zugekommen, eine elegante Erscheinung in schimmerndem Weiß, die mit federndem Schritt und tödlicher Entschlossenheit im Blick auf ihn zugetänzelt war. Er war gegen viele Dinge gewappnet, aber sie gehörte nicht dazu.
Er hatte so instinktiv auf sie geschossen, dass er sich nicht einmal erinnern konnte, abgedrückt zu haben.
Er hatte auf sie geschossen.
Gott.
Dabei war er dazu erzogen worden, Frauen Hochachtung entgegenzubringen. Sie verkörperten alles, was weich und zart und hell und gut war. Sie trugen das Versprechen auf Leben in sich, und dieses Versprechen zu beschützen war ihm Ehre und Privileg zugleich. Die Frauen, mit denen er beruflich zu tun hatte, passten zwar nicht immer in dieses Bild, aber er wurde das Gefühl nie ganz los, dass sie es sollten und auch täten, wenn die Umstände andere wären.
Und dieses Gefühl hatte er jetzt bei dieser Gefangenen auch. Was verrückt war, weil er sie ja überhaupt nicht kannte.
Und dennoch, er hatte sie gesehen, er hatte mit ihr gesprochen, und sie rührte ihn irgendwie. Sie hatte nichts von der Kaltschnäuzigkeit oder der ungepflegten Nachlässigkeit jener Art Frauen, die außerhalb des Gesetzes operierten. Obwohl er von Mode nicht viel verstand, war ihm doch aufgefallen, dass ihre Kleidung geschmackvoll und offensichtlich teuer gewesen war, ihre Fingernägel waren sorgfältig manikürt. Ihr Haar hatte geglänzt und den Duft eines teuren Shampoos ausgeströmt. Ihre braunen Augen hatten im Halbdunkel geheimnisvoll gewirkt, und sie hatte ihn unbewusst hochmütig angeschaut. Sie sprach praktisch akzentfrei, wie eine Schauspielerin vielleicht oder jemand, der eine vornehme Schule besucht hat. Als er sie hielt, hatte er gespürt, dass ihr Körper geschmeidig und zartknochig war. Sein vorherrschender Eindruck war, dass sie eher aus einer Limousine hätte aussteigen müssen, als aus einem verrosteten Van zu purzeln.
Sie hatte behauptet,
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