Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
herum.
„Sieht aus, als ob da drüben beim Weg noch ein paar wären. Dann verschwinden sie im Gras und in der Dunkelheit."
„Hol eine Taschenlampe, ja? Meine ist im Auto." Noch während er sprach, ging Roan bereits zum Rasen und suchte den Boden ab. Es war hilfreich, dass Jake oben im Haus Licht gemacht hatte, dessen Schein den Garten erhellte.
„Dad? Dad, komm mal rauf!"
Das war Jake, der vom oberen Balkon rief. Roan drehte sich um und schaute mit zusammengekniffenen Augen nach oben zu seinem Sohn. Jake war allein.
„Hast du sie gefunden?" Roan wartete mit zu Fäusten geballten Händen auf eine Antwort.
„Sie ist nicht hier, aber ..."
Jakes Stimme brach; das war der Grund dafür, warum er mitten im Satz innehielt. Seine Worte klangen tränenerstickt und voller Angst, Angst um Tory. Der Junge hat sich in den letzten Wochen an sie gewöhnt, dachte Roan. Aber da war noch etwas anderes, etwas, das er nicht benennen konnte.
„Sag schon!" rief Roan, während sein Herz wie verrückt in seiner Brust hämmerte. „Was ist los?"
„Das." Jake lehnte sich über den Balkon und warf einen dunklen Gegenstand nach unten. Roan riss instinktiv einen Arm hoch, um ihn aufzufangen. In dem Moment, in dem sich seine Finger darum schlössen, wusste er, was es war.
Torys elektronische Fußfessel.
„Wo hast du das gefunden?" fragte er. „In ihrem Schlafzimmer?"
„Nein, in deinem."
Die Antwort war knapp und ein Hinweis darauf, dass Jake gewusst hatte, wo er nach Tory oder einer Spur von ihr suchen musste. Der Junge musste zuerst in ihrem Zimmer gewesen sein. Nachdem er dort nichts entdeckt hatte, war er zu dem nächstmöglichen Ort gegangen, an dem er etwas, das ihm Auf- schluss geben könnte, vermutete. Roan hätte wissen müssen, dass es unmöglich war, die Beziehung, die sich zwischen ihnen entwickelt hatte, geheim zu halten. Falls sich da tatsächlich etwas entwickelt hatte, was diese Bezeichnung verdiente.
Roan drehte sich mit dem Kontrollgerät in der Hand um und trat in den Lichtschein, der aus der Küche fiel. Er rechnete halb damit, dass das Schloss der Fußfessel geknackt war. Doch dem war nicht so. Es war allem Anschein nach mit dem dafür bestimmten Werkzeug geöffnet worden. Er starrte darauf und fuhr in einer unbewussten Bewegung mit der Daumenkuppe über das Plastikband, das sich an Torys Knöchel geschmiegt hatte.
Hatte sie die Zange gefunden und sich selbst befreit? Aber warum hatte sie dann bis jetzt damit gewartet, wenn sie die Absicht hatte und es so einfach war? Was hatte ihren Entschluss herbeigeführt? Hatte jemand sie gezwungen, das Kontrollgerät abzunehmen? War sie verletzt worden? Wohin war sie gegangen, um Himmels willen? Und von wem stammte das Blut?
Der Lichtstrahl aus einer Taschenlampe tanzte um eine Hausecke. Er fiel auf das Kontrollgerät in seiner Hand und blieb einen Moment lang darauf liegen. Roans Dad sagte nichts, bis er so nah war, dass er die Taschenlampe ausmachen und mit normaler Stimme sprechen konnte.
„Glaubst du, dass Melanka hier war?"
„Ich muss davon ausgehen, weil..."
„Wie auch immer. Selbst wenn sie freiwillig von hier weggegangen ist und du nichts unternimmst, könnte sie sterben."
„Exakt."
„Und das könntest du nicht ertragen."
Roan lachte kurz und hart auf, während ihm Bilder der schlimm zugerichteten Leichen, die er vorhin gesehen hatte, durch den Kopf schössen. „Wenn er ihr auch nur ein Haar krümmt, erwürge ich ihn mit bloßen Händen."
„Das dachte ich mir", sagte sein Dad mit Genugtuung. „Also gut. Was hast du vor?"
Das war eine gute Frage. Roan schloss kurz die Augen und ging in Gedanken die Möglichkeiten durch, die er hatte. Soweit er es sah, gab es nur zwei: Er konnte Torys Spur folgen, oder er konnte in Turn-Coupe bleiben, eine Fahndung rausschicken und abwarten, was passierte.
Von Abwarten hielt er nicht viel.
„Dad?"
Die Unterbrechung kam von Jake auf der Veranda über ihm. Roan warf einen ungeduldigen Blick in diese Richtung. „Ja?"
„Ich bin mir nicht ganz sicher, weil es so dunkel ist, aber von hier sieht es so aus, als ob das Scheunentor offen wäre."
Die Scheune. Dort stand der Super Bird.
Er hatte dort gestanden. Der dunkle Innenraum der Scheune war leer. Sein geliebtes Auto, sein ganzer Stolz, sein gehätscheltes Prachtstück war weg.
Diesmal hatte Tory den Wagen tatsächlich genommen. Sie hatte ihn genommen und war damit nach Florida gefahren.
Aber was war, wenn sie es nicht getan hatte? Was war, wenn er von
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