Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
Laken herumfummelte, als sie versuchte, es sich über der Brust festzustecken.
„Das war ein Schönheitschirurg, richtig?" fragte er in sorgfältig neutral gehaltenem Tonfall.
Er hatte nicht vor aufzugeben. Sie schluckte, während sie überlegte, ob sie sich einfach dumm stellen sollte, immerhin gab sie ja vor, sich an nichts erinnern zu können. Aber sie hatte ihr Glück bei diesem Mann schon oft genug aufs Spiel gesetzt. Es war das Risiko nicht wert, deshalb antwortete sie mit einem Anflug von Herausforderung: „Brustvergrößerung, schätzungsweise."
„Ein Tittenjob?"
„Wie ungehobelt, Sheriff. Das machen heutzutage viele Frauen, und die meisten Männer scheinen es zu begrüßen."
„Sie haben sich selbst verstümmelt, nur um irgendeinem Mann zu gefallen?"
Sie hob eine Schulter. „Wer weiß? Obwohl ... ist größer in den Augen der Männer nicht immer besser?"
„In meinen nicht", gab er mit Entschiedenheit zurück.
„Na so was", spöttelte sie.
„Mein Dad sagt immer, mehr als eine Hand voll von was auch immer ist ziemlich überflüssig. Ich nehme an, dass er Recht hat."
„Auch eine Überlegung", sagte sie gedehnt, obwohl ihr Gesicht ganz heiß war. Es war nicht nur eine Überlegung, sondern eine Offenbarung, aber das würde sie ihm ganz bestimmt nicht sagen.
Er musterte sie noch einen Moment, bevor er feststellte: „Sie müssen damals noch sehr jung gewesen sein, sonst wäre die Narbe nicht so verblasst."
„Vielleicht war es ja noch auf der High School", antwortete sie vage, obwohl es die Wahrheit war.
„Du lieber Himmel", murmelte er in sich hinein.
Sie neigte dazu, ihm beizupflichten. Die Operation war damals unter ihren Klassenkameradinnen groß in Mode gewesen, ein Weg, ihren Mütter nachzueifern und in die Welt der Kultivierten und Schönen einzutreten. Sie war stets bereit gewesen, jede Modetorheit mitzumachen, um nur ja mit ihren Freundinnen Schritt zu halten. Weil sie alles gewesen waren, was sie in diesen langen Internatsjahren gehabt hatte.
„Ich nehme an, ich habe es gemacht, um mich mit mir selbst besser zu fühlen", sagte sie nach einer Weile. „Wie die meisten Frauen."
„Attraktiver?"
„Ist irgendwas falsch daran?"
Er stand auf und zögerte. „Sie sind eine schöne Frau und müssen ein hübsches Mädchen gewesen sein. Ich kann und möchte es nicht glauben, dass Sie so etwas jemals nötig hatten." Seine Stimme wurde tiefer und bekam einen samtigen Klang.
„Sie müssen nicht perfekt sein. Der Rest der Welt ist es mit Sicherheit nicht."
Das war eine überraschende Einsicht für einen Provinzshe- riff. Wenn auch nicht ganz up to date. Voltaire war der Meinung gewesen, dass man Perfektion nur nach und nach im Lauf der Jahre erreichte, aber das war lange her. Heutzutage glaubten die meisten Menschen, dass Jugend und Schönheit Perfektion waren und dass die Zeit sie zerstörte. Sie konnte zu ihrer Verteidigung ihre Unreife anführen, aber das war nicht alles gewesen.
Sie hatte Aufmerksamkeit gewollt. Es war ihr egal gewesen, ob sie von ihrem Stiefvater, ihren Freundinnen oder von den Jungs kam, die angefangen hatten, vor dem Internatstor herumzulungern. Sie hatte sich danach gesehnt und hätte alles getan, um sie zu bekommen. Heute glaubte sie, darüber hinaus zu sein, aber ganz sicher sein konnte sie sich nicht.
Roan beobachtete sie nachdenklich aus zusammengekniffenen Augen, sein Blick war abschätzend. Kritisch. Doch was scherte es sie, was er dachte? Er war keine Frau. Er war nie mit den Wahlmöglichkeiten konfrontiert gewesen, mit denen sie konfrontiert war, oder mit den Erwartungen.
„Was starren Sie mich so an?" fragte sie in eisigem Ton. „Überlegen Sie, ob ich mir auch das Gesicht habe liften lassen? Nun, das habe ich nicht. Zumindest sieht man keine Narben."
Er schüttelte langsam den Kopf. „Ich habe nur überlegt, ob es wohl möglich ist, unter all den Masken Ihr wahres Ich zu finden."
Sie hoffte aufrichtig, dass es nicht möglich war. Die wirkliche Frau war ein verwirrtes Nervenbündel, unsicher, was sie mit den nächsten Tagen ihres Lebens anfangen sollte, geschweige denn mit den vielen Jahren, die noch vor ihr lagen. Nicht dass sie Verständnis von ihm erwartete, natürlich. Er wusste nichts von ihrer Angst, dass sie wie ihre Mutter enden könnte, weggesperrt unter Einfluss von Beruhigungsmitteln vor sich hindämmernd, bis sie vor Verzweiflung starb, weil niemand den Menschen liebte, der sie wirklich war, sondern allein ihr Geld und ihr Aussehen
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