Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
dachte sie, während sie einen Schluck von ihrem Kaffee nahm. Obwohl es nicht annähernd so interessant zu werden versprach, die eingesperrte tapfere Heldin nur vor einem jugendlichen Publikum zu spielen. Andererseits hatte die Rolle des verletzten und hilflosen Weibchens ebenfalls deutlich an Attraktivität eingebüßt. Durch den Badewannenzwischenfall waren unerwartete Gefahren zu Tage getreten.
„Ich denke, ich sollte Sie warnen, allzu freundlich zu Cal zu sein."
Die höfliche ruhige Art, in der er es sagte, ließ es fast normal erscheinen, aber seine zusammengepressten Lippen und der entschlossene Blick, mit dem er irgendetwas zehn Zentimeter über ihrem Kopf fixierte, verrieten ihn. „Ach, tatsächlich? Was befürchten Sie denn ... dass ich ihn verführen könnte?"
Roan wischte ihre Frage mit einer ungeduldigen Handbewegung beiseite. „Ich wollte damit nur ausdrücken, dass Cal empfänglich sein könnte. Gewiss möchten Sie solche Komplikationen nicht."
„Und deshalb sagen Sie mir, dass ich vor ihm auf der Hut sein sollte."
„Ich sage Ihnen, dass Sie bei ihm besser keine Tricks versuchen sollten. Bei mir ist das etwas anderes, aber bei Cal könnte es unerwünschte Folgen für Sie nach sich ziehen."
Ihr lag auf der Zunge, ihn zu fragen, ob er nicht empfänglich sei, nicht einmal ein bisschen. Aber sie wagte es nicht, weil sie befürchtete, die Antwort könnte sich möglicherweise niederschmetternd auf ihr Ego auswirken. Gleichzeitig verspürte sie den fast unbezähmbaren Drang, ihm die penibel gekämmten Haare zu verwuscheln oder ihm das Hemd, das er sich so sorgfältig in die Hose gesteckt hatte, aus dem Bund zu ziehen, irgendetwas, ganz egal was, wenn es nur diesen Roboter dem Mann ähnlicher machte, auf den sie ab und zu einen Blick erhascht hatte. Es war fast, als ob er zwei Persönlichkeiten hätte, was darauf hindeutete, dass sie hier offenbar nicht die Einzige war, die geübt darin war, immer wieder in andere Rollen zu schlüpfen.
Als sie weiter in sich hineinschwieg, fuhr Roan fort: „Cal wird sich außerhalb des Hauses aufhalten. Sie sollten ihn unter normalen Umständen also gar nicht zu Gesicht bekommen. Jake wird Ihnen Ihr Essen und Ihre Medikamente bringen... keine Sorge, es wird klappen. Er ist für sein Alter durchaus zuverlässig."
„Gut für Jake."
Sein Blick blieb für eine Sekunde auf ihren aufeinander gepressten Lippen liegen. „Und wie steht's, hatten Sie während der Nacht irgendwelche Offenbarungen?"
„Offenbarungen? Ach so, Sie meinen, ob mir eingefallen ist, wer ich bin."
„Wer Sie sind, Name, Alter, Telefonnummer, Mutter, Vater, Brüder und Schwestern, alles und jedes, was erkenntnisförderlich sein könnte."
Sie tat so, als ob sie angestrengt überlegte, bevor sie langsam den Kopf schüttelte. „Nichts und niemand."
„Nicht einmal der Schatten einer Erinnerung von der Art, wie sie sie bei Johnnie hatten?"
Sie hatte sich schon gefragt, wann dieser Ausrutscher wohl zur Sprache kommen würde. Aber jetzt erschien es ihr besser, einfach darüber hinwegzugehen. „Nichts."
„Zu schade. Falls Ihnen etwas einfällt oder falls sich im Lauf des Tages irgendwelche Probleme ergeben sollten, lassen Sie es mich umgehend wissen."
Er zog eine weiße Visitenkarte aus seiner Tasche und legte sie neben ihrer Hand auf das Laken. Tory schaute auf die dunkelblaue Beschriftung und überlegte, dass die Karte genauso war wie der Mann, der sie bei sich trug: sauber gestaltet, geradeaus und ohne jede Spur von Prahlerei.
„Erwarten Sie irgendwelche Probleme?" erkundigte sie sich fast beiläufig.
„Ich sage nur, dass Sie vorsichtig sein sollen, nicht mehr und nicht weniger. Cal ist ein guter Mann, sonst wäre er nicht in meinem Team. Er darf jedoch nicht abgelenkt werden. Er ist da, um Ihre Sicherheit zu gewährleisten, ebenso wie die von Jake."
In dem grimmigen Tonfall des Sheriffs schwang eine deutliche Warnung mit. Er hatte alles so arrangiert, dass sein Sohn durch ihre Anwesenheit in seinem Haus nicht gefährdet wurde, und falls sie vorhatte, an dieser Situation etwas zu ändern, würde sie die Konsequenzen zu spüren bekommen. Sie wollte sich lieber nicht ausmalen, was Zits und Big Ears tun könnten, wenn sie herausfanden, dass sie auf Dog Trot allein war, nur mit einem Jungen im Haus und einem einzigen Hilfssheriff als Bewacher.
Es war ein merkwürdiges Gefühl, an das Wohlergehen anderer zu denken. Sie war nicht daran gewöhnt, weil nie eine Notwendigkeit dafür bestanden
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