Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
Augenblick war sie sicher.
Um ihre Mundwinkel spielte ein trockenes Lächeln. Irgendwie war es schon komisch. Hier, eingesperrt in Roans Haus, fühlte sie sich sicherer als seit vielen Jahren, wo doch ihre größte Angst immer gewesen war, dass sie irgendwann wie ihre Mutter enden könnte, weggesperrt in einem exklusiven Pflegeheim für bekloppte Reiche. Einen kurzen Moment lang sann sie darüber nach, ob das vielleicht der Grund dafür war, dass sich ihre Mutter nicht gegen ihr Schicksal aufgelehnt hatte. Vielleicht hatte sie sich in dem Sanatorium ja sicherer gefühlt als draußen mit Ehemann, Tochter und Freunden, die allesamt ein Leben auf der Überholspur führten. Aber nein, das war unmöglich. Oder doch nicht?
Tory trank ihren Kaffee aus und drehte sich zur Seite, um die Tasse auf den Nachttisch zu stellen. Als ihr Blick auf Roans Visitenkarte fiel, griff sie danach und tippte sich gedankenverloren damit an die Unterlippe. Der Sheriff hatte einen schwerwiegenden Fehler gemacht, indem er sie hierher gebracht hatte; er hatte ihr die Tür zu seinem Privatleben geöffnet. Ihr ging es von Minute zu Minute besser, sie fühlte sich kräftiger, und ihr Kopf wurde klarer. Er konnte sich auf etwas gefasst machen, sie würde sich etwas einfallen lassen. Mit Sicherheit.
Wenig später brachte Jake ihr Frühstück. Nachdem er das Tablett auf ihrem Schoß deponiert hatte, forderte sie ihn auf, sich ans Fußende zu setzen. „Und was ist mit dir? Hast du nicht Lust, mir beim Frühstück Gesellschaft zu leisten?"
„Ich ... ich habe schon gefrühstückt", sagte Jake, während er unauffällig die Handflächen an den Hosenbeinen abwischte und dreinschaute, als ob er Hals über Kopf davonrennen wollte.
„Dann bleib wenigstens ein bisschen hier und unterhalt dich mit mir. Ich habe es satt, mir die ganze Zeit nur diesen bescheuerten Engel da oben anzuschauen."
Die Miene des Jungen blieb wachsam, obwohl er mit einem kurzen Blick zum Baldachin hinaufschaute.
„Ich nehme mal an, er ist alt, der Amor, meine ich. Meine Ururgroßeltern haben das Bett noch vor dem Bürgerkrieg den ganzen Weg von New Orleans mit dem Schiff raufgebracht. Sie hatten damals eine Menge seltsames Zeugs, aber ich schätze mal, ihnen hat es gefallen."
„Sehr wahrscheinlich", sagte sie, beeindruckt von seiner selbstverständlichen Akzeptanz des Geschmacks seiner viktorianischen Vorfahren. „Ehrlich gesagt, finde ich ihn gar nicht bescheuert. Es ist ein wirklich hübscher Amor oder wäre es jedenfalls, wenn ich noch etwas anderes zu tun hätte, als ihn ständig anzustarren."
„Ich könnte Ihnen ein paar Zeitschriften bringen", bot er an, wobei er gleichzeitig hoffnungsvoll zur Tür schaute.
„Das wäre wundervoll. Was hast du denn für welche?"
„Na ja, das könnte ein Problem ..."
Tory verkniff sich ein Lächeln, während sie beobachtete, wie ihm die Röte in den Hals kroch. „Nichts für Mädels?" fragte sie.
„Gott, nein! Dad würde kein Wort mehr mit mir reden. Nur so Sachen, die Sie bestimmt nicht interessieren." Er sprach jetzt so leise, dass es fast nur ein Gemurmel war. „Zeitschriften über Viehzucht und Angeln ... oder Bogenschießen. So Zeugs halt."
„Männerzeugs."
Jake stimmte ihr zu, dann hellte sich sein Gesicht auf. „Aber oben auf dem Speicher sind noch alte Zeitschriften von meiner
Großmutter. So Spezialzeitschriften über Gartenblumen, Nähen, Kochen und so."
„Das klingt schon besser", versicherte Tory ihm.
Er war bereits aufgestanden und ging eilig zur Tür. „Bin gleich wieder da."
Sie schaute eine ganze Weile auf die Tür, durch die Roans Sohn verschwunden war. Dann verzog sie die Lippen zu einem Grinsen, schüttelte den Kopf und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Tablett zu, das er ihr gebracht hatte.
Das Essen schmeckte überraschend gut, Scheiben eines wundervoll geräucherten Schinkens, mit herrlich lockeren Rühreiern, Weizentoast und Brombeermarmelade, die wie selbst gemacht schmeckte. Tory hätte zwar eine halbe Grapefruit und einen Muffin vorgezogen, aber sie war nicht in der Stimmung, wählerisch zu sein. Außerdem war es gut möglich, dass sie das Protein brauchte, um wieder zu Kräften zu kommen, obwohl sie sich, wenn sie gesund war, die zusätzlichen Pfunde bestimmt erst wieder mühsam wegtrainieren musste.
Was seinen Sohn anbelangte, hatte Roan zweifellos Recht: Jake war wirklich zuverlässig. Er brachte wie versprochen die Zeitschriften, die er auf dem Nachttisch stapelte, nachdem er sie zuvor mit
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