Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
angenehm schattig, und vom See wehte ein leichter Wind herauf. Durch die Bäume konnte sie auf die gekräuselte Oberfläche des Sees schauen, wobei sie ab und zu einen Blick auf einen blauen Reiher oder einen silbrig weißen Kranich erhaschte. Das Gitter, das Insekten abhielt, vermittelte die Illusion einer Zuflucht vor den Schrecken der Welt.
Sie hatte sich ein Buch über Rechtsprechung mit nach draußen genommen, das sie gefunden hatte und in dem sie ein bisschen herumschmökern wollte, während sie in dem Liegestuhl lag, der aus der Veranda zusammen mit dem schmiedeeisernen Tisch und den Stühlen ein Zimmer unter freiem Himmel machte. Aber es lag zugeklappt neben ihr, weil sie sich nicht konzentrieren konnte. Sie musste immer wieder an jene Nacht vor nahezu einer Woche denken. Wobei sie allerdings etwas ganz anderes beschäftigte als die Frage, warum Zits und Big Ears so entschlossen waren, sie in ihre Gewalt zu bekommen, dass sie sich sogar auf den Privatbesitz des Sheriffs gewagt hatten.
Der Sheriff hatte sie geküsst. Das war etwas, womit sie am allerwenigsten gerechnet hatte.
Oh, natürlich hatte sie gespürt, dass er sich rein körperlich von ihr angezogen fühlte. Trotzdem hatte er ihr ganz klar gesagt, dass sie nichts von ihm zu befürchten hätte, solange sie sich auf Dog Trot aufhielt. Und sie hatte ihm geglaubt, sie war wirklich davon ausgegangen, dass ihn schon allein seine berufliche Stellung daran hindern würde, sie anzufassen.
Machte es ihr etwas aus? Sie war sich nicht sicher.
Roan Benedict hatte sie geküsst. Er hatte seinen Mund auf ihren gelegt, und sie hatte gespürt, wie ihre Welt aus den Angeln gekippt war. Dieser brave Provinzsheriff mit seinen altmodischen Ansichten hatte mehr Power in einen einzigen Kuss gepackt als jeder Mann, dem sie je begegnet war, und gewiss mehr, als der arme Harreil je aufgebracht hatte.
Zum Teil hatte sie ihre Verlobung auch deshalb gelöst, weil es Harreil nie gelungen war, sie so weit zu bringen, dass sie Lust hatte, mit ihm ins Bett zu gehen. Obwohl sie zugegebenermaßen nicht viele Vergleichsmöglichkeiten hatte. Wahlloser Sex war heutzutage vom gesundheitlichen Standpunkt aus gesehen absolut idiotisch, aber Tatsache war auch, dass sie bisher in ihrem Leben noch nicht viele Männer kennen gelernt hatte, die sie gereizt hatten. Sie spürte, dass ihr, wenn es ihr schon egal war, wie sie küssten, alles andere an ihnen auch egal sein würde. Sie hatte versucht, sich mit Harrell zu begnügen, weil sie befürchtet hatte, dass sie vielleicht einfach nur zu wählerisch war.
Was bedeutete es, dass der Sheriff sie geküsst hatte? Und bedeutete es über den reinen Akt hinaus überhaupt irgendetwas? Er hatte irgendwann einmal angedeutet, dass er noch ein anderes Motiv haben könnte, sie hierher zu bringen. War es das?
Und falls ja, wollte sie etwas damit zu tun haben? Oder sollte sie ihn gar ermutigen, in der Hoffnung, dass er ihr dann vielleicht eher glaubte, dass man sie entführt hatte, und sie laufen ließ? Die körperliche Anziehungskraft, die zwischen ihnen bestand, auszunutzen, ging ihr gegen den Strich, aber es war der einzig mögliche Vorteil, den sie im Augenblick für sich verbuchen konnte.
Sie wälzte diese Fragen im Kopf herum, bis die Sonne hinter den Bäumen versank und den Himmel leuchtend orangerot färbte. Zusätzlich zu allem anderen machten die Fragen sie unsäglich müde. Tory schloss die Augen und versuchte sie wegzuschieben.
Etwas Warmes, das um ihren Knöchel strich, riss sie aus einem leichten Schlaf. Beauregard, dachte sie. Der große Hund hatte sich schnell zu einer Landplage entwickelt, obwohl sie auch zugeben musste, dass sie froh war, dass er ihr bei den Spaziergängen, die sie abends in der Nähe des Hauses unternahm, Gesellschaft leistete. Wie er hier auf die Veranda gekommen war, wusste sie nicht. Sie war sich sicher, dass sie die Tür hinter sich zugemacht hatte.
Der laue Wind, der vom See herüberwehte, fühlte sich angenehm an auf der Haut. Sie wollte nicht gestört werden. Nicht jetzt, jedenfalls. Sie legte den Arm über ihre Augen und sagte: „Geh weg. Sei ein braver Junge."
Der Druck auf ihr Fußgelenk verstärkte sich. Es war fast, als umschlösse etwas fest ihren Knöchel, es fühlte sich gar nicht wie Beaus Kopf, seine Schnauze oder seine Zunge an. Sie zuckte zusammen. Im selben Moment riss sie die Augen auf und richtete sich auf.
Vor ihr an ihrem Fußende saß Roan. Die Strahlen der Abendsonne, die durch das
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