Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
Während er den Amerikaner ansah, wurde ihm bewusst, in welcher Position er sich befand. Die Haut straffte sich über seinen Wangenknochen, als er die Aussichtslosigkeit seiner Lage begriff. Langsam befolgte er die Anweisung, doch die Feindseligkeit in seinem Gesicht war ein äußerst erschreckender Anblick.
„Gut, und jetzt geh langsam nach hinten, bis du in dem Raum gleich hinter dir bist."
Es war ein Vorratsraum, und Chloe hielt es für eine gute Wahl, auch wenn sie gegen das Entsetzen ankämpfte, das sie fest im Griff hatte. Das Schloss an ihrer Zimmertür war unbrauchbar geworden, den größten Raum im Haus hatte sich Ahmad angeeignet, und es war anzunehmen, dass er dort irgendwo eine Waffe versteckt hatte. Und er konnte nicht in die Nähe von Treenas Töchtern gelangen. Mit einem verwirrten Blick zu Wade sagte sie: „Der Schlüssel..."
„Hol ihn."
Natürlich trug Ahmad ihn bei sich, weil er es genoss, die Kontrolle über sämtliche Räumlichkeiten und damit über alles zu haben, was sich in ihnen befand. Als sie sich ihm näherte, nahm sie den stechenden Schweißgeruch wahr, den er verströmte. Da sie fürchtete, er würde versuchen, sie zu packen, achtete sie darauf, nicht in die Schusslinie zu geraten. Sie hielt so viel Abstand wie nur möglich, während sie sich streckte, um den metallenen Schlüsselring von seinem Gürtel zu lösen, damit sie die Tür aufschließen konnte. Dann wartete sie, bis Wade ihn in den Vorratsraum manövriert hatte.
„Dafür wirst du auf jeden Fall sterben", sagte Ahmad, während er dem Amerikaner gehorchte. „Du kannst deinem Schicksal nicht entkommen. Ich werde dich und deinen ganzen Stamm ausrotten."
„Versuchs doch."
Wade kam näher, um die Tür zu packen und zuzuschlagen und sich dann mit der Schulter dagegen zu stemmen. Chloe steckte den Schlüssel in das altmodische Schloss und drehte ihn herum. Dann trat sie schnell zurück, als könnte ihr Stiefbruder sie durch das massive Holz hindurch zu fassen bekommen.
„Geh", drängte Wade mit gedämpfter Stimme und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Tür. „Mach schon."
Es war notwendig, sie wusste es. Dennoch konnte sie sich nicht davon abhalten, sich noch einmal umzudrehen und zu Ismael zu sehen, der noch immer auf dem Boden kniete und seine tote Frau wiegte, als würde um ihn herum nichts anderes existieren. Dann sah sie in Richtung des Schlafzimmers, in dem die Kinder weiterhin unablässig weinten.
„Du kannst ihm nicht helfen", machte Wade ihr mit rauer Stimme klar, die zugleich verständnisvoll klang. „Du kannst keinem von ihnen helfen."
Sie blickte ihn an und registrierte flüchtig, dass er um den Mund herum blass geworden war und seine Augen qualvollen Schmerz erkennen ließen. „Ich weiß", flüsterte sie und verlieh mit diesen Worten ihrer eigenen unerträglichen Trauer Ausdruck.
„Dann lass uns von hier verschwinden, solange das noch geht."
Er ließ ihr keine Gelegenheit, ihm zu widersprechen, sondern legte einen Arm um ihre Taille und zog sie mit sich aus dem Zimmer. Sie sträubte sich nicht, sondern folgte ihm aus dem Haus nach draußen auf die Straße.
Die Nacht hatte die absolute Schwärze der Stunde nach Monduntergang. Wade schien das nicht zu stören. Er blieb lange genug stehen, um sich rasch und doch gründlich umzusehen, dann liefen sie die staubige Straße entlang.
Von irgendwo ertönte ein Schrei, dem Schüsse folgten. Staubfontänen stiegen unmittelbar hinter ihnen auf. Wade drehte sich um und erwiderte das Feuer, noch während sie zu rennen begannen.
„Ahmad muss Männer mitgebracht haben", sagte Chloe keuchend, da sie versuchte, mit Wades Schritten mitzuhalten.
„Das ist anzunehmen." Er packte sie am Arm und erhöhte das Tempo, gleichzeitig schoss er abermals nach hinten. „Es kann nur ein kleiner Trupp sein, sonst wären wir schon längst erledigt."
„Vielleicht ist es nur Zahir, ein Freund von ihm." Die unregelmäßig abgefeuerten Salven und die Tatsache, dass sie offenbar nicht verfolgt wurden, sprach für diese Annahme.
„Ja, wir sind uns begegnet."
„Er wird Ahmad befreien."
„Besser, als wenn er uns verfolgt."
Die Schüsse verstummten. Entweder hatte Wade genügend Gegenwehr erkennen lassen, oder aber sie waren zu weit entfernt. Als sie sich auf halber Höhe des nächsten Blocks befanden, bog er in eine enge Gasse ein, die zu beiden Seiten von Lehmwänden begrenzt wurde. Chloe konnte erkennen, dass am anderen Ende der Gasse ein Wagen stand. Sie liefen auf ihn
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