Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
zu, doch als sie noch gut fünfzig Meter entfernt waren, hielt Wade an und bedeutete ihr, ebenfalls stehen zu bleiben. Sie nickte bestätigend, während sie durchzuatmen versuchte. Unterdessen näherte er sich vorsichtig dem älteren Volvo.
Plötzlich schoss etwas unter dem Wagen hervor. Wade presste sich an die Wand und sah in Chloes Richtung, als wolle er sich davon überzeugen, dass sie es ihm nachmachte. Sie schüttelte den Kopf und deutete auf eine streunende Katze, die stehen geblieben war und ihn ansah. Er gab einen leisen, verärgerten Laut von sich, dann bewegte er sich weiter.
Chloe hielt den Atem an, als sie sah, dass er sich vorbeugte, um durch die vordere Seitenscheibe in den Wagen zu spähen. Sie bemerkte, wie er vor Schreck erstarrte. Einen Moment später öffnete er die Fahrertür und griff ungelenk ins Wageninnere, um den Zündschlüssel zu drehen. Sie hörte ein Klicken, doch der Motor sprang nicht an. Wade machte leise die Tür zu und kehrte rasch zu Chloe zurück.
„Was ist los?"
„Der Fahrer ist tot, der Wagen springt nicht an."
„Ich verst..."
„Mein Fluchtfahrzeug. Der Fahrer hatte die Anweisung, auf uns zu warten. Jetzt wird klar, warum Ahmad erst so spät im Haus auftauchte."
Sie presste die Lippen aufeinander, bis es schmerzte, und schloss für einige Sekunden die Augen. Erst als sie glaubte, wieder sprechen zu können, ohne dass ihre Stimme bebte, fragte sie: „Und jetzt?"
„Rate mal", gab er lakonisch zurück und drückte sich wieder mit dem Rücken gegen die Wand.
„Ich habe keine Ahnung. Du hast gesagt, alles sei arrangiert, alles würde ohne Probleme ablaufen."
„Vor zwei Tagen war es das auch. Ich habe dann alles so umarrangiert, dass es auch heute Morgen geklappt hätte, weil du meintest, dass du so viel Zeit brauchst. Diesen Termin hast du ebenfalls verstreichen lassen. Und jetzt stehen wir da."
Ein Schauer lief ihr über den Rücken. „Willst du damit sagen, wir sind auf uns gestellt?"
„Und auf unsere Füße."
Das war nicht das, was sie hören wollte. „Du und ich? Wir beide? Das meinst du?"
„Hast du die Green Berets erwartet oder einen Hubschrauber, der dich zu einem Kriegsschiff bringt, das nur auf dich wartet?"
„Natürlich nicht. Aber ich dachte, diese Rettungsaktion - oder wie immer du das Ganze nennen willst - würde von einem ganzen Team ausgeführt."
„Das war ja auch der Fall. Leute, die mir einen Gefallen schuldeten, wurden aktiviert, andere wurden geschmiert. Zwei Plätze waren für uns in einem Lastwagenkonvoi reserviert, der uns zur Grenze nach Pakistan und von dort weiter zum internationalen Flughafen von Rawalpindi bringen sollte. So war es vorgesehen, doch das ist jetzt Schnee von gestern. Diese Leute mussten alle einen Rückzieher machen, nachdem du nicht aufgetaucht warst."
„Und trotzdem bist du hergekommen, als Treena dich holen ließ?"
„Ich habe es John versprochen."
Sie drehte sich so zu ihm um, dass sie ihn durch den Netzeinsatz vor ihrem Gesicht ansehen konnte, fast schon verängstigt, dass da mehr sein könnte, dass er auch noch andere Gründe hatte, von denen sie nichts wusste.
Er hatte die Augen fest geschlossen, seine Finger krallten sich in die Lehmziegelwand hinter ihm. Sie konnte hören, wie flach und schnell er atmete, als kämpfe er gegen starke Schmerzen an. Chloe legte ihre Finger auf seine Taille. Der Stoff seines T-Shirts war nass und klebrig.
„Idiot", rief sie. „Du verblutest, und wir stehen hier und unterhalten uns. Wir müssen uns um deine Verletzung kümmern. Was denkst du dir eigentlich dabei?"
„Dass du jetzt viel mehr aus dir herausgehst als beim ersten
Mal, als ich dich gesehen habe", antwortete er mit einem bemüht lockeren Lachen.
„Als ob das wichtig wäre!" Sie griff unter ihre Burqa und zog den langen, einem Schleier ähnlichen Schal hervor, der sonst ihr Haar bedeckte. Mit den Zähnen riss sie den Stoff an, dann teilte sie ihn in zwei Hälften und faltete eine davon zu einem langen Polster. Das wickelte sie in die andere Hälfte und drückte den behelfsmäßigen Verband auf Wades Seite, um dann die losen Enden um seine Taille zu binden.
Er murrte ein wenig, als sie die Enden festzog und zusammenknotete. „Sehr effizient."
„Ich hoffe, das nützt etwas."
„Schaden kann es jedenfalls nicht. Danke."
Sein Atem war warm, als er in Stirnhöhe durch den Stoff ihrer Burqa drang, während sie sich vorbeugte, um den Sitz des Verbands zu überprüfen. Der sanfte, fast desinteressierte
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