Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
ein Pferd essen, auch wenn das nicht meine erste Wahl wäre."
„Keine Sorge", gab sie ironisch zurück. „Eine solche Delikatesse wird man einem Amerikaner ganz bestimmt nicht servieren."
Sie wandte sich ab und verließ den Raum. Das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, als die schwere Tür hinter ihr leise ins Schloss fiel. Sie hatte Angst gehabt, Wade Benedict den Fluchtplan zu erklären. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob er mit dem Plan einverstanden sein würde. Immerhin beinhaltete der weder ein schnelles Transportmittel noch starke Bewaffnung, und vor allem hatte Wade nicht das Sagen. Doch es war gut gelaufen, fast schon zu gut. Beinahe hätte sie geglaubt, dass er irgendetwas plante und deswegen auf ihre Vorschläge eingegangen war, doch sie konnte sich nicht vorstellen, wie ihm das möglich sein sollte.
Es gab nur noch einen Punkt an dem Fluchtplan, den sie ihm nicht erläutert hatte. Sie hielt es für das Beste, so lange zu warten, bis sie kurz davor waren, das Gebäude zu verlassen. Ihr war klar, dass es Wade nicht gefallen würde, doch wenn sie lange genug wartete, dass eine Änderung des Plans nicht mehr möglich war, würde er möglicherweise leichter kooperieren. Sie konnte nur darauf hoffen.
„Oh nein, ganz bestimmt nicht!"
Wade knüllte die Burqa zusammen, die Chloe ihm gegeben hatte, und schleuderte sie quer durchs Zimmer an die gegenüberliegende Wand. Chloe warf ihm einen wütenden Blick zu und hob das Gewand auf.
„Du musst sie tragen", erklärte sie und drückte ihm die Burqa wieder in die Hand. „Der Grenzposten wird überhaupt nicht hinsehen, wenn eine verschleierte Frau mehr über die Grenze geht."
„Aus dem Grund will ja auch kein Mann so etwas anziehen."
„Willst du lieber das Risiko eingehen, dass man auf deine Größe und deinen spärlichen Bart aufmerksam wird?" schleuderte sie ihm entgegen. „Vor allem dann, wenn die Wachen schon längst dazu angehalten sind, auf Amerikaner zu achten?"
„Das ist immer noch besser, als sich in Frauenkleidung zu verstecken", gab er zu, auch wenn es eine völlig unlogische Erwiderung war.
„Du versteckst dich nicht, du vermeidest bloß, dass man dich wahrnimmt, und das ist wichtig."
„Ach ja? Ich bin einen Kopf größer als du, meinst du, das wird niemandem auffallen?"
„Du wirst ja nicht stehen, sondern auf der Rückbank eines Wagens sitzen. Und du wirst so tun, als wärst du reisekrank oder schwanger oder irgendwas anderes, das dich dazu veranlasst, zusammengesunken dazusitzen. Männer sind vor allem dadurch größer, dass sie längere Beine haben. Wenn wir nebeneinander sitzen, wird man kaum einen Unterschied bemerken."
Er verschränkte die Arme vor der Brust und schob seine Hände in die Achselhöhlen. „Ich werde das nicht tragen."
„Du musst aber", schrie sie ihn frustriert an. „Anders geht es nicht. Es gefällt dir vielleicht nicht, und wenn schon! Mir gefällt die Burqa auch nicht, keiner Frau gefällt sie. Wir dagegen müssen uns jeden Tag damit abfinden. Ich wüsste nicht, warum du dann nicht ein paar Stunden unter diesem Ding zubringen kannst."
Er starrte sie einige Sekunden lang an. „Wessen Idee war das?"
„Der Vorschlag kam von mehreren Seiten."
„Von deiner auch."
Sie hob kurz die Hände und ließ sie wieder sinken. „Es ist nichts Persönliches."
„Bist du sicher, dass es nichts mit den Dingen zu tun hat, die ich neulich abends gesagt habe?"
„Absolut sicher." Das entsprach zwar der Wahrheit, dennoch war ihr der Gedanke gekommen, dass er nun am eigenen Leib etwas erfahren würde, was er so voller Überzeugung für eine freie Entscheidung gehalten hatte.
„Ich darf davon ausgehen, dass du selbstverständlich auch von Kopf bis Fuß verhüllt sein wirst."
„Selbstverständlich."
Er sah sie lange genug an, um sie erkennen zu lassen, dass er angestrengt nachdachte. Dann streckte er eine Hand auf und nahm ihr die Burqa ab, um sie wie ein Bettlaken auszuschütteln. Es war ein gewaltiges Stück cremefarbener Stoff, groß genug, um ihn von Kopf bis Fuß zu verhüllen. Seine Reaktion auf diesen Anblick kam prompt. Er rollte die Burqa zusammen und reichte sie ihr zurück.
„Nein."
„Oh doch!" Chloe drückte ihm das Teil wieder gegen die Brust. „Wenn ich dich außer Landes schaffen soll, dann musst du auch kooperieren."
„Eigentlich sollte ich dich außer Landes schaffen."
„Tja, daraus wird aber nun nichts. Vielleicht ist es meine Schuld. Vielleicht ist es Pech, schlechtes Karma oder
Weitere Kostenlose Bücher