Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
Tadschiken war grimmig, auch wenn das nicht zwangsläufig etwas zu bedeuten hatte. „Und?"
„Es gibt keinen Grund, warum wir beide weitergehen sollen, wenn wir viel leichter zurückgehen können."
„Nein, Freshta", protestierte Chloe.
„Hör mich bitte an", sagte die junge Afghanin und warf
Chloe einen ernsten Blick zu. „Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen."
„Wenn es das ist, was ich glaube ..."
„Bitte", wiederholte Freshta und sprach weiter, als Chloe verstummte. „Der Weg nach Peshawar ist nicht zu verfehlen, ihr braucht dafür keinen Führer. Zwei Leute werden als Anhalter eher mitgenommen, also würden wir uns wohl ohnehin auf zwei Wagen aufteilen müssen. Kemal und ich, wir gehen zurück, während ihr euch auf den Weg macht."
Für Wade klang das überzeugend. Als er kurz zu Kemal sah, nickte der einmal knapp, als wollte er sagen, dass er mit dem Plan ebenfalls einverstanden war.
Chloe schien das nicht gesehen zu haben. Ihr Blick war auf Freshta gerichtet, als sie fragte: „Du willst es mir allein überlassen, mich um einen verletzten Mann zu kümmern?"
„Ich glaube, so schlecht geht es ihm nicht. Du musst darauf vertrauen, dass er diese kurze Reise bewältigen wird."
Wade bemerkte, dass die junge Frau ihn offenbar durchschaut hatte, auch wenn ihm nicht klar war, wie sie das geschafft hatte.
„Und wenn ich allein mit ihm erwischt werde?"
„Du bist jetzt in Pakistan. Eine Frau in Begleitung eines fremden Mannes wird zwar nicht unbedingt gern gesehen, aber es wird nicht mit dem Tod bestraft", erwiderte Freshta ruhig. „Und bald wirst du in den Vereinigten Staaten sein, wo es niemanden stört."
„Und wenn Ahmad uns folgt?"
„Du musst darauf bauen, dass der Amerikaner dich beschützt."
Chloe ließ wenig Vertrauen erkennen, da sie nicht auf diese Bemerkung einging, sondern fragte: „Und was ist mit deiner Mission?"
„Die werde ich dir anvertrauen." Während sie redete, hob Freshta ihre Burqa an und zog ein kleines flaches Päckchen aus ihrer Schärpe, die sie um die Taille trug. Sie betrachtete es einen Moment lang, dann gab sie es Chloe, als würde sie mit der Geste eine Zeremonie vollenden.
Chloe reagierte nicht, sondern warf Wade einen kurzen Blick zu, der auf ihn wirkte, als wollte sie nicht, dass er die Übergabe mit verfolgte. Das weckte erst recht sein Interesse, so dass er noch aufmerksamer zusah. Das Päckchen hatte das Format einer Videokassette, konnte andererseits jedoch praktisch alles enthalten, unter Umständen sogar eine Portion Sprengstoff. Wenn der Inhalt gefährlich war, dann schien es Kemal nicht zu kümmern. Gelangweilt sah er die Straße entlang.
„Nimm es, Chloe. Das musst du machen."
„Ich kann nicht", sagte sie. „Ich wüsste nicht, wem ich es geben sollte."
„Ich könnte dir sagen, wie es früher gelaufen ist, doch das ist nicht länger von Bedeutung", erklärte Freshta ruhig. „Es ist viel besser, wenn du es mitnimmst in die Vereinigten Staaten. Dort wirst du sicher einen angesehenen Journalisten finden, der bereit ist, die Öffentlichkeit zu informieren."
„Ja, aber ich habe nicht vor ..."
„Ich weiß. Ich bin mir deiner Hingabe bewusst, deiner vielen guten Taten und deines großen Herzens. Ayla und ich haben über dich gesprochen, und auch Willa, die die Mutter des Ehemanns deiner toten Stiefschwester ist. Wir haben sehr lange und sehr gründlich darüber nachgedacht. Dies ist, was wir entschieden haben. Diese Mission war niemals für mich gedacht, Chloe, sondern immer nur für dich."
„Nein."
„Doch. Hör auf mich, Schwester in unserer Sache."
„Aber wenn ich jetzt gehe, werde ich vielleicht niemals zurückkehren dürfen."
„Dann soll es auch so sein. Einige Dinge in diesem Leben sind so bestimmt, und vielleicht war es Kismet, das dich in mein Land führte, wo du mit den Frauen dieses Landes leiden musstest, damit du nun diese Sache erledigen kannst." Chloe wollte etwas erwidern, doch Freshta sprach rasch weiter. „Wenn du nach Hazaristan zurückkehrst, wird man dich töten. Du bist zu anders, als dass du lange unentdeckt bleiben könntest. Irgendjemand wird dich irgendwann verraten, weil man ihm eine Gefälligkeit oder Geld bietet oder ihm Hoffnung auf das Paradies macht. Das wird dann dein Ende sein. Wenn Frauen wie ich bereit sind, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, dann soll es auch so sein. Dies ist unser Land, hier sind wir geboren, hier schlägt unser Herz, und wir wollen nicht in ein anderes Land gehen. Doch es ist
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