Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
Netzeinsatz hindurch seinen Gesichtsausdruck zu erkennen.
„Ich schätze, das kann man so sagen."
„Dann sollte ich mich bei dir bedanken."
Sie bewegten sich bereits seit einer Weile auf pakistanischem Boden, als sich Wade endlich von der Überraschung erholte, die ihn hatte verstummen lassen. „Das ist alles?" fragte er. „Du bist nicht wütend, weil ich mich in deine Rettungsoperation eingemischt habe?"
„Du hast die notwendigen Befehle gegeben. Du bist eingesprungen, als es erforderlich war. Ich bin dir dafür dankbar."
Er begann zu lachen und schüttelte langsam den Kopf.
„Was ist denn so lustig?"
„Nicht lustig, erstaunlich. Was du vorhin gemacht hast, war eine der mutigsten Taten, die ich je miterlebt habe. Ich kenne erfahrene Kämpfer, die hätten es sich zweimal überlegt, ob sie mit nichts anderem als einem Wortschwall auf einen bewaffneten Grenzposten zustürmen. Das schien mir wirklich sehr gefährlich zu sein, besonders für eine Frau."
Sie blickte auf ihre Hände. „Ich war so wütend, dass ich ... es überkam mich einfach. Die Vorstellung, dass er uns die Bur-qas abnehmen oder uns daran hindern könnte, das Land zu verlassen, in dem jeder Tag eine Bestrafung ist, hat mich einfach so unglaublich wütend gemacht."
„Der Grund ist egal. Hauptsache, du hast es geschafft, uns rauszubringen."
Als die Grenze nach Hazaristan immer weiter hinter ihnen zurückfiel, sah Chloe ihn länger an als üblich. Er bemerkte, dass sie tief aquamarinblaue Augen hatte - so kristallklar -, dass sie durch den Netzeinsatz gut erkennbar waren. Sie betrachtete ihn, und aus irgendeinem Grund bekam er das Gefühl, dass sie ihn so durchschaute wie noch niemand vor ihr. Tief in seinem Inneren regte sich etwas. Er wollte Chloe so sehr, wie er noch keine andere Frau jemals begehrt hatte. Er war von einem Verlangen erfüllt, das so rein war, dass es körperliches Begehren überstieg. Er starrte sie an, sich dessen sehr bewusst, dass er in diesem Augenblick, in dem er von Herzen froh war, ein Mann zu sein, wie eine Frau gekleidet neben ihr saß.
„Ich hatte schreckliche Angst", gestand Chloe flüsternd.
Erst da bemerkte er, dass sie am ganzen Leib zitterte. Er streckte seine Hand nach ihr aus, berührte ihren Arm, glitt tiefer, bis er ihre Hand fassen konnte. Mit einer vorsichtigen, einladenden Bewegung zog er sie ein wenig in seine Richtung.
Er sah, wie sehr ihr Blick von Schmerz geprägt war, und in diesem Moment wusste er ohne jeden Zweifel, dass sie ihn verlassen wollte. Dennoch sah er nicht fort, sondern wartete. Einige Sekunden verstrichen, dann rutschte sie an ihn heran, wobei sie darauf achtete, nicht an seine Verletzung zu kommen. Nach und nach entspannte sie sich und ließ sich von ihm festhalten, während sie über die gewundene Straße fuhren, die vom Azad-Pass wegführte. Er dachte, sie würde vielleicht in Tränen ausbrechen, doch das geschah nicht. Gemeinsam lehnten sie sich zurück und blickten auf die Straße, die vor ihnen lag.
Sie hatten etwas mehr als zwanzig Kilometer zurückgelegt, als aus dem Motorraum des Kombis weißer Qualm drang, der vom Fahrtwind in den Wagen gewirbelt wurde und nach heißem Metall roch. Chloe und Wade setzten sich augenblicklich auf. Kemal wurde langsamer und hielt nach einer Stelle Ausschau, die Platz genug bot, damit er nicht mitten auf der Straße stehen bleiben musste. Bevor sich eine Möglichkeit ergab, ging der Motor aus.
Der Tadschike lenkte den Wagen an den Fahrbahnrand und ließ ihn noch ein Stück weit rollen. Einen Moment lang saß er da, die Verärgerung war ihm förmlich anzusehen, dann schlug er mit dem Handballen auf das Lenkrad und öffnete die Tür, um auszusteigen.
Als er die Haube aufmachte, schlug ihm eine heiße, dunkle Rauchwolke entgegen. Er machte einen Satz nach hinten und stieß eine Reihe von Flüchen los. Zwar verstand Wade kein Wort, aber der Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass es Flüche waren. Freshta lachte nervös auf und biss sich auf die Lippe. Sie warf Wade einen besorgten Blick über die Schulter zu. „Sie kennen sich doch bestimmt mit amerikanischen Motoren aus. Glauben Sie, dass dieser Motor brennt?"
„Er ist wieder heiß gelaufen", antwortete Wade. „Ich tippe darauf, dass die Zylinderkopfdichtung kaputt ist."
„Ist das etwas Ernstes?"
„So können wir nicht weiterfahren. Die Dichtung muss auf jeden Fall ausgetauscht werden."
Freshta sah Chloe an, da sie offenbar die Bedeutung seiner Worte nicht erfasst hatte. Als
Weitere Kostenlose Bücher