Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
Gerechtigkeit aufs Spiel gesetzt. Auch wenn er vielleicht sagte, dass es um höhere Werte ging, spielte das keine Rolle, wenn die Person, die dafür bezahlen musste, das Lachen und die Tränen eines Kindes hatte.
Er hatte Lainey geopfert, ihre Tochter für ein Prinzip aufgegeben, und das würde Janna ihm nie verzeihen. Und sie konnte ihm ganz sicher nicht erlauben, irgendwelche Ansprüche zu erheben, egal, was für gewichtige Gründe er auch anführen mochte.
Janna hob den Kopf und starrte blicklos durch die Windschutzscheibe. Was sollte sie jetzt tun? Zuerst einmal musste sie zu ihrer Tochter; sie wollte sie im Arm halten und spüren, wie ihr kleines Herz schlug, musste ihren kindlichen Duft einatmen. Dann würden sie beide ihre Sachen packen und die Angelhütte und Turn-Coupe hinter sich lassen. Vielleicht würden sie zurück nach New Orleans gehen und sich dort eine billige kleine Wohnung in der Nähe des Kinderkrankenhauses suchen. Auf jeden Fall würden sie so viel Distanz wie möglich zwischen sich und Turn-Coupe und die Benedicts legen. Vor allem zwischen sich und Clay Benedict.
Nach ein paar Minuten ließ das Zittern nach. Janna holte tief Atem, dann straffte sie die Schultern. Mechanisch legte sie den Gang ein und fuhr wieder auf die Straße, in Richtung Turn-Coupe.
Das Krankenhausbett war leer.
Janna schaute auf das weiße Laken, auf dem ihre Tochter eigentlich liegen sollte, während Angst in ihr aufstieg. Ein leeres Krankenhausbett war gleichbedeutend mit Tod, das hatte sie während Laineys langen Aufenthalten in den verschiedensten Krankenhäusern oft genug erlebt. Wenn aus einem Zimmer alle persönlichen Habseligkeiten entfernt waren, sauber gemacht worden war und keine Familienmitglieder oder Pflegekräfte anwesend waren, konnte man fast sicher davon ausgehen, dass jemand gestorben war.
Das Bett war frisch gemacht, das Laken an einer Ecke zurückgeschlagen. Der Papierkorb hatte einen neuen Beutel. Der Schrank war ebenso leer geräumt wie der Nachttisch. April war nirgends in Sicht. Was sonst konnte das bedeuten? Die einzige andere Möglichkeit, die sie sich vorstellen konnte, war fast ebenso lähmend wie die erste.
„Hallo, da sind Sie ja! Schätze, Sie suchen Ihre Kleine, hab ich Recht?“
Janna fuhr herum und schaute die Schwester an, die auf der Schwelle stand. Mit einer Stimme, die so atemlos klang, als ob sie meilenweit gerannt wäre, fragte sie: „Wo ist sie?“
„Oh je, Honey, bekommen Sie bloß keinen Schreck. Es geht ihr gut, wirklich. Clay hat sie nur mit nach Hause genommen.“
Das Gesicht der molligen, dunkelhaarigen Krankenschwester hatte sich vor Mitgefühl in Falten gelegt. Doch Janna war wenig beeindruckt davon, weil sie sich erinnerte, dass diese Schwester namens Johnnie Hopewell auch zum Benedict-Clan gehörte. „Sie meinen, Dr. Hargrove hat sie entlassen?“
„Ja, vor einer Stunde ungefähr. Sie ist über den Berg, und er fand, dass sie sich zu Hause genauso gut erholen kann, weil sie dort in guten Händen ist. Du meine Güte, dieses Kind brannte darauf, endlich hier rauszukommen!“
„Und Clay hat sie … wohin genau gebracht?“
„Na, nach Hause, wie schon gesagt. Nach Grand Point.“
So viel also zum Punkt Vertrauen. Janna atmete tief durch und wandte dann in entschiedenem Ton ein: „Aber das kann er doch nicht einfach machen! Lainey ist meine Tochter. Ich habe nicht die Erlaubnis gegeben, dass sie irgendwo anders hingebracht wird.“
„Aber Sie sind doch mit Clay ins Krankenhaus gekommen.“ Verdutzt runzelte Johnnie die Stirn, als ob sie das Problem nicht sehen könnte.
„Das heißt überhaupt nichts!“
„Es heißt, dass er ein starkes Interesse am Wohlergehen Ihrer Kleinen hat. Und es gibt überhaupt keinen Grund zur Aufregung, Honey, wirklich nicht. Clay ist ganz verrückt nach der Kleinen, das sieht doch ein Blinder. Er würde nie etwas tun, was ihr schadet.“
„Wollen Sie damit sagen, dass er einfach in dieses Krankenhaus hereinmarschieren und ein Kind mitnehmen kann, nur weil er es mag?“ empörte Janna sich. „Das ist ungeheuerlich! Wer hat die Entlassungspapiere unterschrieben, wo ist da eine rechtsverbindliche Unterschrift? Und was ist mit der Rechnung, um Himmels willen? Für wen, zum Teufel, hält er sich?“
„Ist alles erledigt.“ Um Johnnies Mundwinkel spielte ein Lächeln. „Er ist ein Benedict, meine Liebe. So sind sie halt.“
Sie hätte es wissen müssen. Tunica Parish war Benedictland. Hier waren sie König. Sie konnten
Weitere Kostenlose Bücher